Ein Konzept mit Zukunft - Integratives Schülerpraktikum im Fotoatelier

Ein zweiwöchiges Praktikum für ukrainische Jugendliche im Fotoatelier Loitz wird zum Modell gelingender Integration: mit einfacher Sprache, klarer Struktur und sichtbaren Ergebnissen. Teil I zeigt, wie die Sprache Brücken baut – und was Schulen daraus machen können.

Sep 21, 2025 - 18:22
Sep 21, 2025 - 18:59
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Kapitel 8: Wo es schwer war – und wie wir reagiert haben
Ein Atelier im Schattenspiel: Zwei Praktikanten am Tisch, Kamera, Staffelei, Lampe – eine stille Szene kreativen Arbeitens, entspannt und zielführend.
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Kapitel 8: Wo es schwer war – und wie wir reagiert haben

Nicht alles lief glatt. Und das war auch nicht zu erwarten. Denn wo Neues entsteht, entstehen auch Unsicherheiten. Manche Schwierigkeiten waren vorhersehbar, andere zeigten sich erst im Tun. Sprache, Konzentration, Müdigkeit, Missverständnisse – all das spielte eine Rolle. Wichtig war nicht, alles sofort zu lösen. Wichtig war: aufmerksam bleiben, offen reagieren, gemeinsam nach Wegen suchen. In diesem Kapitel geht es darum, wo es gehakt hat – und was daraus gelernt wurde.

Fachwörter – Lösung: Icon + Kurzsatz + Beispiel

Fachsprache ist kein Selbstzweck. Doch sobald es um Medien, Technik und Gestaltung geht, begegnet man ihr fast überall: Blende, ISO, Tonpegel, Weißabgleich, Kondensatormikrofon, Vorderlicht. Solche Begriffe sind präzise – aber gerade das macht sie schwer zugänglich. Für Lernende mit wenig Vorerfahrung, und besonders für jene, die erst dabei sind, eine neue Sprache zu lernen, werden diese Begriffe schnell zu Barrieren.

Ein Begriff = ein Bild = ein Satz. Jedes neue Fachwort wurde auf drei Ebenen eingeführt: ein Icon, ein kurzer Beispielsatz und ein konkreter Anwendungskontext. Diese drei Elemente wurden immer gemeinsam eingeführt – im Dialog, mit Skizzen, Nachsprechen und Szenen. Die Begriffe wanderten sofort ins Glossar, zweisprachig und mit Symbolen ergänzt.

Das Ergebnis: Die Hemmung, Fragen zu stellen, ließ nach. Fachbegriffe tauchten im Quiz, in Präsentationen und in Storyboards auf. Sie waren Teil des eigenen Werkzeugkastens geworden – nicht überfordert gelernt, sondern in kleinen Schritten aufgebaut.

Verwechslungen – Lösung: Kontextsatz und Warnhinweis „Falscher Freund“

Neben unbekannten Begriffen stellten sich auch vermeintlich bekannte Wörter als Stolpersteine heraus – sogenannte falsche Freunde. Sie erzeugten Sicherheit, führten aber zu Missverständnissen. Ein Beispiel war ISO: in der Fotografie ein Wert für Lichtempfindlichkeit, in anderen Kontexten eine Abkürzung für Normung.

Die Lösung war ein Warnhinweis ⚠️ in Glossar und Handouts, ergänzt durch Kontext-Sätze: „ISO bei der Kamera ist ein Helligkeitswert – keine Regel oder Norm.“ So entstand ein Bewusstsein für Sprachfallen. Die Jugendlichen begannen selbst, Begriffe zu hinterfragen.

Zweisprachigkeit kostet Zeit – Lösung: kleines Tempo, klare Rollen, 10-Begriffe-Regel

Zweisprachig zu arbeiten ist ein Gewinn – aber es braucht Zeit. Jede Erklärung dauerte länger, da Sprache nicht nur übersetzt, sondern gedeutet werden musste. Mal war das Deutsche schneller, mal das Ukrainische. Es brauchte Pausen – und Geduld.

Die Entscheidung: langsameres Tempo, dafür mehr Klarheit. Maximal zehn neue Begriffe pro Tag, sofort im Glossar festgehalten und wiederholt. Klare Rollen halfen: Wer erklärt? Wer übersetzt? Wer fasst zusammen? Diese Rollen wechselten und gaben Balance.

Am Ende ging es um mehr als Worte: um Vertrauen, Zeit zu haben, und das Zutrauen, sich in beiden Sprachen bewegen zu lernen. Verständigung braucht nicht Geschwindigkeit, sondern Sorgfalt.

Nur Theorie wirkt abstrakt – Lösung: Storyboard & Captions als Praxis geplant

Theorie allein wirkt abstrakt. Nach Tagen voller Fachbegriffe und rechtlicher Grundlagen entstand die Gefahr, dass das Tun fehlte. Die Lösung: kleine Zwischenergebnisse wie Mini-Storyboards mit Bildunterschriften, zweisprachig geführt. Sie verbanden Sprache mit Bildlogik, machten Entscheidungen sichtbar und nachvollziehbar.

Parallel dazu wurden praxisnahe Aufgaben im Atelier vorbereitet: Stillleben mit Alltagsgegenständen, Tonaufnahmen ohne Sprecher, Lichtaufbau im Raum. Keine Außenaufnahmen, keine Porträts – aber reale Handgriffe, echtes Equipment.

So entstand eine Umgebung, in der Theorie in Handlung überging – kontrolliert, begreifbar, selbstbestimmt.


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