Ein Konzept mit Zukunft - Integratives Schülerpraktikum im Fotoatelier
Ein zweiwöchiges Praktikum für ukrainische Jugendliche im Fotoatelier Loitz wird zum Modell gelingender Integration: mit einfacher Sprache, klarer Struktur und sichtbaren Ergebnissen. Teil I zeigt, wie die Sprache Brücken baut – und was Schulen daraus machen können.

Kapitel 9: Warum das gelingt – Meine Beobachtung
Wenn etwas gelingt, liegt das selten nur an einem einzelnen Baustein. Meist ist es das Zusammenspiel: aus Sprache, Struktur, Vertrauen und Zeit. Im Rückblick auf das Praktikum zeigt sich, dass nicht die Methode allein entscheidend war – sondern die Einstellung, mit der sie umgesetzt wurde. Was wirklich zählt, sind kleine, aufmerksame Schritte. Eine klare Sprache, die niemanden ausgrenzt. Ein Alltag, der Platz lässt fürs Fragen. Und ein Miteinander, in dem sich niemand verstecken muss.
Langsam ist schnell genug. Verständnis ist wichtiger als Tempo.
Wer langsam geht, kommt oft weiter. Denn echtes Verstehen braucht Zeit. Wer sich orientieren will – sprachlich, inhaltlich, menschlich – braucht Raum. Raum zum Nachfragen, zum Wiederholen, zum Selber-Denken.
Im Praktikum war das immer wieder zu spüren. Sobald der Impuls kam, schnell zum nächsten Thema überzugehen, lohnte sich ein Moment des Innehaltens. Dieser führte zu besserem Verständnis. Die Jugendlichen konnten sich neue Begriffe besser merken, wenn sie Zeit bekamen, eigene Worte zu finden – zuerst auf Ukrainisch, dann auf Deutsch.
Schnelles Lernen bringt manchmal schnelle Ergebnisse. Aber was bleibt wirklich hängen? Lernen, das trägt, entsteht nicht im Tempo, sondern in der Tiefe. Und Tiefe braucht Geduld.
So entstand ein Lernumfeld, das nicht auf Masse setzte, sondern auf Bedeutung. In dieser Ruhe wuchs das, was wirklich zählt: Sicherheit, Vertrauen in sich selbst, das Gefühl, beteiligt zu sein.
Am Ende stellte sich nicht die Frage: Wie viel Stoff haben wir geschafft? Sondern: Wer hat sich was zu eigen gemacht?
Bilder helfen. Ein Wort mit einer Skizze bleibt hängen.
Worte brauchen Bilder. Ein kleines Icon, eine Skizze, ein kurzer Linienverlauf – oft genügte schon eine einfache Zeichnung, damit ein Begriff Sinn bekam.
Beispiel: das Wort „Blende“. Solange es nur gesagt wurde, blieb es abstrakt. Doch mit einer Zeichnung – ein Kreis einmal weit, einmal eng geöffnet – war sofort klar: mehr Licht, weniger Licht. Die Bedeutung war nicht nur gehört – sie war gesehen.
Mit der Zeit begannen die Jugendlichen selbst zu zeichnen: kleine Skizzen, Pfeile, Kreise, Figuren. Es waren Werkzeuge, keine Kunstwerke. So wuchsen Sprache und Bild zusammen – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung.
Zwei Sprachen sind eine Brücke. Erst Heimat, dann Ankunft.
Zwei Sprachen bedeuten nicht doppelte Mühe – sondern doppelte Möglichkeit. Sprache gibt Sicherheit, verbindet mit dem Vertrauten und öffnet Wege ins Neue. Deshalb begann vieles auf Ukrainisch, erst danach folgte Deutsch – nicht als Korrektur, sondern als Erweiterung.
Es ging nicht um Übersetzung, sondern um Bedeutung. Manchmal war das deutsche Wort schneller, manchmal das ukrainische. Fehler waren erlaubt. Sätze mussten nicht perfekt sein. Oft halfen die Jugendlichen einander und schufen gemeinsam Bedeutung.
So entstand kein Unterricht, sondern ein Prozess. Ukrainisch gab Halt, Deutsch zeigte Möglichkeiten. Zwischen beiden Sprachen wuchs Vertrauen: dass man hier richtig ist – auch mit Akzent, auch mit Lücken, auch mit eigenen Worten.
Sichtbare Artefakte machen stolz – und sind prüfbar für Schule und Eltern.
Lernen braucht Zeit. Doch Rückmeldungen müssen sichtbar sein. Deshalb entstanden klare Zwischenergebnisse: ein Einseiter „Recht und Sicherheit“, Spickzettel zu Kamera-Licht-Ton, ein Storyboard mit Bildunterschriften, kurze Teasertexte – alles zweisprachig.
Diese Materialien machten die Arbeit nachvollziehbar und gaben den Jugendlichen ein Gefühl von Fortschritt. Ein Zettel wurde zum Beweis: Das habe ich gemacht.
Das stärkte das Vertrauen ins eigene Können, machte Mut weiterzumachen und zeigte: Auch kleine Schritte führen zu Ergebnissen, die zählen.
Am Ende lag nichts Aufwändiges auf dem Tisch – aber etwas Echtes. Etwas Gedachtes, Verstandenes, Gestaltetes. Und genau das macht den Unterschied.
Ein Konzept mit Zukunft – Integratives Schülerpraktikum im Fotoatelier
Direkt springen: Vorwort · Kapitel 1–12 · Abschließende Worte
↑ Zurück zum Seitenanfang Kapitel 9
Wie ist Ihre Reaktion?






