Stein auf Stein - Industriegeschichte in Loitz
Die Industriehalle in Loitz, einst Teil Sirokko, dokumentiert DDR-Industriebau in funktionaler Klarheit. Heute dient sie als Lager für das Amazonas Camping Loitz. Graffiti und Glasbruch zeugen von Wandel, nicht von Verfall.
Glatt verputzte Fassaden, Stein auf Stein von Hand gemauert, in seichtem Beige – die Industrieanlage am Standort Loitz ist ein seltener Vertreter industrieller DDR-Bauweise. Keine Zierformen, keine Fassadenspiele, sondern funktionale Klarheit. Die Architektur folgt dem Zweck, nicht dem Anspruch auf Repräsentation.
Darin liegt ihr dokumentarischer Wert.
Die Halle war ein wichtiger Bestandteil des VEB Ölheizgerätewerks Neubrandenburg – bekannt unter dem Markennamen „Sirokko“. Das Werk zählte zu den führenden Herstellern von Fahrzeug-Standheizungen im Ostblock. Am Standort Loitz wurden zwei zentrale Aufgaben übernommen: die Fertigung von Ölpumpen und die Endmontage der Heizgeräte Typ 231 und 232. Diese Geräte kamen in Kleintransportern, LKW-Kabinen und Kofferaufbauten zum Einsatz.
Das Werk war Teil eines arbeitsteiligen Produktionsnetzwerks mit Standorten in Neubrandenburg, Friedland, Lychen und Ueckermünde. In Loitz lag der Fokus auf der Endfertigung. Hier wurden Bauteile montiert, Geräte getestet und für den Einsatz vorbereitet. Der Typ 231 war für seine Zuverlässigkeit bekannt und wurde serienmäßig in Fahrzeugen wie dem Barkas B1000 verbaut.
Bis heute sind Spuren des Betriebs ablesbar. Die Struktur der Halle, Reste von Maschinenfundamenten und die Anordnung der Fensterachsen lassen Rückschlüsse auf frühere Arbeitsabläufe zu. Besonders auffällig sind die typischen Holzfenster mit echten, tragenden Sprossen – keine Dekorelemente, sondern konstruktive Verstärkungen zur Unterteilung der Glasflächen. Sie dienten der strukturellen Stabilität der Rahmen, ermöglichten gleichmäßige Lichtverteilung und waren in ihrer Bauweise auf die industrielle Nutzung abgestimmt – auch in einer Zeit, als Sonderglaslösungen für industrielle Fensteranlagen bereits verfügbar waren.
Wo heute Wildkräuter wachsen, rollten einst Materialwagen.
Heute ist das Gebäude nicht außer Nutzung. Es dient dem Amazonas Camping Loitz als Lagerhalle und saisonales Depot für Zelte, Kanus und mobile Ausstattungen. Die ehemalige Produktionsstätte ist damit funktional neu belegt.
Am 17. April 2025 wurden zu großen Teilen mehrere Scheiben durch Vandalismus beschädigt. Der Zeitpunkt der fotografischen Aufnahme war der 18. April 2025. Eine Notverglasung wurde eingeleitet, die weitere Sicherung des Objekts ist in Planung. Parallel dazu sind an der Fassade mehrere Graffiti-Arbeiten entstanden, die bewusst nicht entfernt wurden. Sie markieren keine Zerstörung, sondern setzen sich künstlerisch mit dem Ort auseinander.
Die Halle ist kein dekoratives Relikt, sondern ein konkretes Zeugnis industrieller Vergangenheit – und ein funktionaler Bestandteil der Gegenwart. Ihre Erhaltung ist nicht nostalgisch begründet, sondern dokumentiert ein Stück realer Arbeits- und Technikgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern.
Begutachtung Glasbruch
Schadensereignis: 17. April 2025
Aufnahme: 18. April 2025
Bildnummer | Beschreibung | Glasbruch | Notverglasung |
---|---|---|---|
DF_43P5758 | Fensterfront mit zerstörter Scheibe, Detail | Ja | Ja |
DF_43P5759 | Sprossenfenster mit mittlerem Bruchfeld | Ja | Ja |
DF_43P5760 | Untere Fensterhälfte beschädigt | Ja | Ja |
DF_43P5762 | Fenstersegment mit Teilbruch und Absicherung | Ja | Ja |
DF_43P5763 | Zersplitterte Scheiben, Bruchkanten sichtbar | Ja | Nein (nur Reste erkennbar) |
DF_43P5765 | Sprossen-Fenster, hinterlegt mit Holzplatte | Ja | Ja |
DF_43P5767 | Fenster mit mehreren beschädigten Segmenten | Ja | Ja |
DF_43P5769 | Bruchflächen im oberen Bereich | Ja | Ja |
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