Der Leuchtturm und das Hasenbrot (2025)
Ein Leuchtturmwärter blickt zurück – auf eine Zeit, in der Licht noch Bedeutung trug. Das Gedicht erzählt eindringlich vom Verlust innerer Orientierung in einer Welt, die alles misst, prüft und regelt. Zwischen Bürokratie, Erinnerung und leiser Rebellion bleibt ein letzter Funke: das Leuchten, das keiner Norm gehorcht.

Ich saß einst oben, ganz allein,
im Turm aus Stein, im Licht aus Pflicht.
Hielt Wache über Sturm und See,
führte Schatten heim – und fragte nicht.
Ein Feuer reichte, früher mal,
ein Docht, ein Tropfen Öl im Glas.
Später kam der Strom aus Draht,
doch Licht war Licht – und niemals Maß.
Jetzt reden sie von Aufzugspflicht,
von Fluchtweg zwei und Normen dicht,
von Sonnenstrom und Fördergeld,
von allem, was das Blatt erzählt.
Sie messen Licht in Paragrafen,
in Kabinengrößen, Rettungspfaden.
Sie prüfen Glanz, sie zählen Watt –
doch fragen nie, ob’s leuchten tat.
Und steht geschrieben, schwarz auf weiß:
„Kein Lift? Kein Licht. Kein Preis, kein Preis.“
„Kein zweiter Weg? Dann keine Ruh.“
„Und ohne Sonne? Tür bleibt zu.“
Der Turm – er darf nur leuchten,
wenn das Amt es auch erlaubt.
Was einst als Zeichen diente,
wird verpackt, versiegelt – einfach weg.
Ich bau kein Feuer mehr, mein Kind.
Ich füll kein Öl, ich trotze keinem Wind.
Ich lese Anträge, Formblatt 7,
und träum vom Meer –
und mir, geschrieben.
Denn heut ist Licht kein Leuchten mehr,
sondern Siegel auf Papier.
Und was da strahlt, muss sich beweisen,
sonst zieht man es uns wieder ein.
Ein Hasenbrot, gemacht für Paragraphen,
schön gefaltet, leer im Kern.
Kein Duft, kein Biss, kein alter Zauber –
nur Stempel, Siegel, Stuhl und Lärm.
Und manchmal – ja, manchmal,
wenn das Wasser wie Blei liegt,
die Vorschrift schweigt
und Nacht sich senkt –
dann singt Vineta
still im See.
Wie ein Licht, das keiner sieht.
Und ich weiß:
Es brennt – auch ohne Advokat.
#Gedanken des Künstlers in bildlicher Form
Zu »Der Leuchtturm und das Hasenbrot« (2025)
Ein Mensch steht an der Grenze zwischen Gestern und Heute – allein, in einem Turm, der einmal Orientierung war. Kein Ort der Macht, sondern ein Ort des Gewissens. Dort, wo früher ein einziges Licht genügte, braucht es heute Genehmigungen, Normen und doppelte Sicherungen.
Was einmal inneres Wissen war – dass Licht gebraucht wird, weil es Hoffnung gibt – ist nun abhängig von Paragraphen. Vorschriften haben das Leuchten übernommen. Die Flamme ist nicht mehr das Entscheidende, sondern ihre Herkunft, ihr Energieausweis, ihr Dokument.
Der Künstler in diesem Bild ist kein Ankläger, sondern ein stiller Beobachter. Er erlebt, wie Bedeutung von außen neu definiert wird – in Excel-Spalten, Förderformularen und Büroakten. Und mit jedem Antrag, der gestempelt wird, verliert sich ein Stück von dem, was einst selbstverständlich war: dass man wirkt, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Das Bild des Hasenbrots – eine Kindheitserinnerung – steht hier für das, was einst liebevoll war und heute leer wirkt. Es wird weitergegeben, aber nicht mehr verstanden. Der Alltag hat den Zauber ersetzt.
Und doch: Die Erinnerung bleibt. Und mit ihr ein Funke – unsichtbar für jene, die nur prüfen. Unhörbar für jene, die nur zählen. Tief in der Stille, wenn die Regeln schlafen und das Wasser schwer wird, klingt ein altes Lied.
Dann mahnt der Künstler: Nicht alles lässt sich regulieren. Nicht jede Flamme braucht ein Label. Manche Dinge leuchten – einfach, weil sie es tun.
Wie ist Ihre Reaktion?






