Ein Konzept mit Zukunft - Integratives Schülerpraktikum im Fotoatelier
Ein zweiwöchiges Praktikum für ukrainische Jugendliche im Fotoatelier Loitz wird zum Modell gelingender Integration: mit einfacher Sprache, klarer Struktur und sichtbaren Ergebnissen. Teil I zeigt, wie die Sprache Brücken baut – und was Schulen daraus machen können.

Kapitel 6: Tagesrhythmus - So haben wir gearbeitet
Ein guter Tag beginnt nicht mit einem Plan, sondern mit einem guten Gespräch. Gerade dann, wenn vieles neu ist – Sprache, Umgebung, Aufgaben – gibt ein fester Ablauf Sicherheit. Im Praktikum war deshalb nicht nur wichtig, was gelernt wurde, sondern auch: wann, wie und in welchem Tempo. Der Tagesrhythmus half dabei, Ruhe in den Alltag zu bringen – und machte das Lernen berechenbar, wiederholbar, verlässlich.
Struktur schafft Sicherheit – besonders, wenn vieles noch fremd ist
Wenn man neu ist – in einem Land, in einer Sprache, in einem Umfeld – dann hilft Struktur. Sie schafft Sicherheit. Deshalb folgte das Praktikum einem klaren Tagesrhythmus. Kein starrer Stundenplan, sondern ein verlässlicher Ablauf, der jeden Tag ordnete – und dabei genügend Spielraum ließ für das eigene Tempo, für Pausen, für Wiederholung.
Wiederholung war nicht nur erlaubt, sie war gewollt. Sie war Teil der Methode. Denn was man heute nur halb versteht, kann morgen schon vertrauter klingen – wenn man es noch einmal hört, noch einmal liest, noch einmal sagt.
Jede Einheit des Tages hatte ihren festen Platz. Und ihren Sinn im Gesamtbild. Der Ablauf blieb gleich – die Inhalte wechselten. So entstand ein Rahmen, in dem sich Lernen entfalten konnte, ohne zu überfordern.
Ankommen: Sprache als Anfang
Der Tag begann nicht mit einem Gong oder einer Ansage, sondern mit einem bewussten Start: einer kurzen Begrüßung, einem Blick auf das Thema des Tages – ruhig, verständlich, in beiden Sprachen. Was steht heute im Mittelpunkt? Was wollen wir am Ende des Tages verstanden haben?
Gleich zu Beginn wurden fünf bis zehn neue Begriffe eingeführt – nicht als Vokabelliste, sondern als Teil des Alltags. Die Jugendlichen schrieben die Wörter mit der Hand auf, sprachen sie laut aus, setzten sie in eigene Sätze. So wurde Sprache sofort lebendig – und nicht nur ein Nebenprodukt des Lernens, sondern sein Ausgangspunkt.
Kurzer Input: Verständlich, visuell unterstützt
Danach folgte ein thematischer Einstieg – kein Vortrag, sondern ein kurzer Impuls. Meist begleitet durch Skizzen, kleine Zeichnungen, Übersichten oder einfache Abläufe auf dem Papier. Es ging nicht um vollständige Wissensvermittlung, sondern um einen Zugang. Was ist neu? Was lässt sich an Bekanntes anknüpfen? Welche Fragen könnten sich ergeben?
Die Sprache blieb dabei einfach. Jeder Begriff wurde erklärt, verglichen, in einem Satz gezeigt. Und oft gleich mit einer kleinen Zeichnung oder Metapher versehen. So konnten die Lernenden nicht nur hören, sondern auch sehen und mitdenken.
Trockenübung: Erst Denken, dann Technik
Bevor Kamera oder Tonaufnahme zum Einsatz kamen, wurde erst einmal am Tisch gearbeitet – mit Papier, Stift, kleinen Modellen. Eine sogenannte „Trockenübung“, in der das Gelernte angewendet, aber noch nicht technisch umgesetzt wurde.
Diese Phase war entscheidend. Denn sie zeigte: Auch das Durchdenken eines Ablaufs ist eine praktische Handlung. Hier konnte man ausprobieren, Fehler machen, neu sortieren – ganz ohne Zeitdruck. Oft entstanden dabei erste Skizzen für Bildfolgen, kleine Szenenaufbauten oder Ablaufpläne.
Sprachwerkstatt: Gemeinsam lesen, sprechen, verstehen
Ein fester Bestandteil des Tages war die Sprachwerkstatt. Hier wurde laut gelesen, gemeinsam übersetzt und in leichtes Deutsch übertragen. Diese Phase diente nicht nur dem Wortschatz, sondern auch dem Gefühl für Sprache. Wo liegt die Betonung? Wie klingt ein Satz? Wie verändert sich ein Fachwort, wenn es in einen Alltagssatz eingebettet wird?
Es wurde verglichen, umgestellt und ausprobiert. Die Jugendlichen merkten: Sprache ist formbar. Und sie entdeckten: Sie können mitgestalten. Auch Fachsprache.
Mini-Quiz: Wiederholung ohne Druck
Am Ende der inhaltlichen Phase kam ein kleines Quiz – drei bis fünf Fragen zum Tag. Keine Prüfung. Kein Test. Sondern ein Rückblick: Was ist hängen geblieben? Was ist noch unklar? Die Fragen waren offen gestellt. Man konnte zeichnen, schreiben, erzählen – ganz nach Stärke. Es ging nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um das eigene Verständnis.
Artefakt des Tages: Etwas in der Hand, etwas im Kopf
Jeder Tag endete mit einem kleinen Produkt – einem sogenannten Artefakt. Das konnte ein Einseiter sein, ein Notizzettel, ein kurzer Text, ein gezeichneter Ablauf oder eine Bildbeschreibung. Etwas, das sichtbar machte, was gedacht und gelernt worden war.
Diese Artefakte wurden nicht bewertet. Sie waren individuell – und manchmal überraschend kreativ. Sie gaben den Jugendlichen das Gefühl: Ich habe heute etwas geschaffen. Etwas Eigenes. Etwas, das bleibt.
60-Sekunden-Präsentation: Sich zeigen, sich hören
Zum Abschluss gab es jeden Tag eine kurze Vorstellung des eigenen Beitrags – zuerst auf Ukrainisch, dann auf Deutsch. Maximal eine Minute. Diese kleine Präsentation hatte große Wirkung: Sie stärkte das Selbstvertrauen. Sie ließ die Jugendlichen erleben, dass sie etwas sagen können. Dass sie gehört werden. Und dass ihre Stimme zählt.
Ein Konzept, das trägt
So entstand über die zwei Wochen ein Rhythmus, der Orientierung bot, aber nicht einengte. Der Sicherheit gab, ohne Druck zu machen. Und der am Ende nicht nur Wissen vermittelt hat – sondern auch Vertrauen. In sich selbst. In Sprache. Und in das gemeinsame Lernen.
Ein Konzept mit Zukunft – Integratives Schülerpraktikum im Fotoatelier
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