Die Inszenierung: Wie Politik und Medien aus der Erzählung Realität machten
Teil 2 zeigt, wie sich die Erzählung über die Marktstraße aus dem Amtsgericht hinaus in Politik und Medien verlagert. Aus einzelnen Stimmen wird ein kollektives Narrativ, das nicht auf Belegen, sondern auf Wiederholung, Emotion und Inszenierung beruht.

Kapitel 6: Symbolische Transformation
Spätestens mit dem Auftritt im Landtag ist klar: Es geht nicht mehr um die Marktstraße als konkrete Adresse. Der Name hat sich von seinen Pflastersteinen gelöst – und ist zur Chiffre geworden.
Das geschieht leise, fast unmerklich. Ein Vorfall in einer Nebenstraße? – er wird der Marktstraße zugeschrieben. Ein Streit, der anderswo eskaliert? – er fügt sich in das Bild der Marktstraße ein. Selbst vage Gerüchte landen am Ende in diesem Sammelbecken. Der Name wirkt wie ein Magnet, der alles anzieht, was in den Erzählungen zirkuliert.
So löst sich ein Stück Stadt aus seiner physischen Verankerung und wird zum Symbol. Nicht die Menschen, nicht die Häuser, nicht einmal konkrete Vorfälle bestimmen mehr das Bild – sondern ein Wort: „Marktstraße“. Dieses Wort steht nun für Bedrohung, für Kontrollverlust, für Ausnahmezustand. Wer es ausspricht, ruft sofort Bilder wach – unabhängig davon, ob er selbst je dort gewesen ist.
Damit wird die Straße zum Projektionsraum. Sie trägt nicht länger die Realität, sondern die Last der Erwartungen, Ängste und Zuschreibungen. Aus einer Adresse wird ein Schlagwort. Aus einem Ort ein Konstrukt im kollektiven Kopf.
Und genau das ist die eigentliche Kraft der Inszenierung: Sie ersetzt das Konkrete durch das Symbolische. Aus einem lokalen Konflikt wird ein übergreifendes Narrativ – mächtiger als jede Zahl im Polizeibericht.
Inhaltsverzeichnis der Serie
Serie – Direkt springen: Teil 1 · Teil 2 · Teil 3
Teil 1: 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6 · 7
Serie »Kognitive Dissonanz im öffentlichen Raum«
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- Teil 1 – Vakuum im Kopf: Wie kognitive Dissonanz die Marktstraße erfand
- Seite 1/7 — Kapitel 1: Die Szene im Alten Amtsgericht
- Seite 2/7 — Kapitel 2: Psychologischer Rahmen – Kognitive Dissonanz im Lernmodus
- Seite 3/7 — Kapitel 3: Erste Stimmen – die Geburt des Narrativs
- Seite 4/7 — Kapitel 4: Verstärkung durch Wiederholung
- Seite 5/7 — Kapitel 5: Die Verschiebung – Vom realen Vorfall zum symbolischen Ort
- Seite 6/7 — Kapitel 6: Analyse – Das Problem entsteht im Kopf
- Seite 7/7 — Kapitel 7: Schluss – Vom Lernprozess zur Eskalation
- Teil 2 – Die Inszenierung: Wie Politik und Medien aus der Erzählung Realität machten
- Seite 1/8 — Kapitel 1: Der Weg vom Saal auf die Bühne
- Seite 2/8 — Kapitel 2: Offizielle Räume als Fürsprech
- Seite 3/8 — Kapitel 3: Politische Aneignung und Taktgebung
- Seite 4/8 — Kapitel 4: Medien als Multiplikator
- Seite 5/8 — Kapitel 5: Landespolitische Bühne
- Seite 6/8 — Kapitel 6: Symbolische Transformation
- Seite 7/8 — Kapitel 7: Analyse – Die Macht der Inszenierung
- Seite 8/8 — Kapitel 8: Schluss – Vom Symbol zur Dominanz der Wahrnehmung
- Teil 3 – Die Entzauberung: Fragen, die zurück zur Wirklichkeit führen
- Seite 1/7 — Kapitel 1: Vom Symbol zurück zur Sache
- Seite 2/7 — Kapitel 2: Der Fragenkatalog als Instrument
- Seite 3/7 — Kapitel 3: Transparenz durch offenen Verteiler
- Seite 4/7 — Kapitel 4: Auflösung der kognitiven Dissonanz
- Seite 5/7 — Kapitel 5: Die Grenze der Erzählung
- Seite 6/7 — Kapitel 6: Analyse – Fragen als Gegengift
- Seite 7/7 — Kapitel 7: Schluss – Was bleibt?
Wie ist Ihre Reaktion?






