Kleine Brücke, großer Stillstand - Warum in Loitz der Weg über den Ibitzbach zum Problem wurde
Die Ibitzbach-Brücke in Loitz wird zum Prüfstein: DDR-Eigenbau (1974), seit 2021 teils gesperrt, nun Ersatz aus Spannbeton. Mehr als Technik: Mit dem Förder- und Kompetenzzentrum (ab 2026/27) entscheidet sie über Teilhabe, sicheren Schulweg von 170 Schüler*innen – und Vertrauen.
Kapitel 5: Warum eine Brücke manchmal Jahre braucht – Politische und planerische Entscheidungen im Detail
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Wer sich mit der Geschichte dieser Brücke beschäftigt, stößt irgendwann nicht mehr nur auf Beton und Rost – sondern auf Aktenordner, Protokolle und viele Sitzungen. Denn so einfach es klingen mag, eine marode Fußgängerbrücke durch eine neue zu ersetzen – in der kommunalen Realität ist es alles andere als ein Selbstläufer. Vor allem dann nicht, wenn Geld fehlt, Regeln hoch sind und Interessen auseinandergehen.
Die Brücke über den Ibitzbach ist nicht erst seit gestern Thema in der Stadtvertretung von Loitz. Jahrelang wurde diskutiert, verworfen, neu angesetzt. Erst sollte vielleicht nur repariert werden, dann war doch ein Neubau nötig. Es folgten Fragen nach der Art der Konstruktion, den genauen Maßen, den Kosten, der Förderfähigkeit. Gleichzeitig lief die Zeit weiter – und mit jedem Monat wuchs der Druck von außen: von Bürger*innen, die den Weg vermissten; von Planern, die neue Normen berücksichtigen mussten; von Förderstellen, die auf korrekte Antragstellung pochten.
Was dabei auf der Strecke blieb, war oft die Klarheit. Denn jede Entscheidung, so scheint es, brachte neue Fragen mit sich. Und je mehr Ebenen beteiligt sind – Stadt, Land, Fördermittelgeber, Planungsbüros – desto träger wird der Prozess. So kam es, dass zwischen der ersten Sperrung 2021 und dem tatsächlichen Baustart im Herbst 2025 fast fünf Jahre liegen werden. Fünf Jahre für ein Bauwerk von wenigen Metern Länge.
Am Ende fiel die Entscheidung für eine Fertigteilbrücke aus Spannbeton. Ein gängiges Modell, wirtschaftlich und belastbar, das schnell montiert werden kann, sobald die Vorarbeiten abgeschlossen sind. Geliefert werden soll die Konstruktion in einem Stück, mit Kran eingesetzt – eine moderne Lösung für ein altes Problem. Verbaut wird sie von der ASA-Bau GmbH, die den Zuschlag nach öffentlicher Ausschreibung für rund 179.000 Euro erhielt.
Dass es eine Ausschreibung brauchte, versteht sich heute von selbst. Doch auch das kostet Zeit: Fristen müssen eingehalten, Unterlagen geprüft, Angebote bewertet werden. Im besten Fall läuft das reibungslos – im realistischen Fall zieht es sich. Und wenn man bedenkt, wie eng die Verwaltungskapazitäten kleiner Städte wie Loitz oft bemessen sind, wird klar, warum vieles länger dauert als gewünscht.
So verging ein Jahr nach dem anderen – nicht weil jemand absichtlich blockierte, sondern weil das System seine eigene Logik verfolgt. Eine Logik, die mitunter wenig Raum lässt für pragmatische Lösungen. Und die dem ursprünglichen Geist der Brücke – einfach etwas zu bauen, das gebraucht wird – manchmal geradezu entgegensteht.
Und genau deshalb wiegt der Zeitverlust hier besonders schwer. Denn mit dem Umbau der alten Grundschule zum Förder- und Kompetenzzentrum Loitz (Schule für emotionale und soziale Entwicklung) erhält die Brücke eine neue Relevanz. Sie wird zum Schulweg – zu einem Teilstück im Alltag von rund 170 Kindern und Jugendlichen, die nicht nur von pädagogischen Fachkräften begleitet werden, sondern auch auf eine verlässliche, barrierefreie Infrastruktur angewiesen sind. Der Weg führt vom Alten Steintor über die Demminer Straße (mit gesichertem Übergang) entlang der alten Stadtmauer zur Schule – und weiter über die Brücke in Richtung Greifswalder Vorstadt. Für viele wird sie das verbindende Element zwischen Wohnort, Bushaltestelle, Schule und Teilhabe sein.
Daher ist es nicht nur eine technische oder bürokratische Entscheidung, die hier so lange gedauert hat – es ist eine Entscheidung mit Folgen für konkrete Lebensrealitäten. Für Kinder, Eltern, Lehrkräfte, Sonderpädagoginnen, Erzieherinnen (Internat), Sozialpädagoginnen, Psychologinnen, therapeutisches Fachpersonal sowie Verwaltungs-, technisches und hauswirtschaftliches Personal. Und auch für eine Stadt, die an dieser Stelle zeigen muss, dass sie nicht nur Visionen hat, sondern auch Wege dorthin bauen kann – im wörtlichen und übertragenen Sinne.
Das Ergebnis? Eine Entscheidung ist da. Ein Bauunternehmen steht fest. Der Förderbescheid ist genehmigt. Der Baustart angekündigt. Und doch bleibt ein schales Gefühl zurück: Musste das alles wirklich so lange dauern? Oder ist das inzwischen einfach der Normalfall?
Vielleicht liegt genau hier der Knackpunkt: dass wir uns an die Langsamkeit gewöhnt haben. An Verfahren, die Jahre dauern. An Brücken, die gesperrt bleiben, obwohl der Bedarf offensichtlich ist. Und vielleicht wäre es gerade deshalb wichtig, sich daran zu erinnern, wie schnell Dinge gehen können – wenn man sie wirklich will.
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Die Brücke über den Ibitzbach – Mehr als ein Bauwerk
Fragen und Antworten – Die Brücke über den Ibitzbach in Loitz
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