Kleine Brücke, großer Stillstand - Warum in Loitz der Weg über den Ibitzbach zum Problem wurde

Die Ibitzbach-Brücke in Loitz wird zum Prüfstein: DDR-Eigenbau (1974), seit 2021 teils gesperrt, nun Ersatz aus Spannbeton. Mehr als Technik: Mit dem Förder- und Kompetenzzentrum (ab 2026/27) entscheidet sie über Teilhabe, sicheren Schulweg von 170 Schüler*innen – und Vertrauen.

Okt 3, 2025 - 15:01
Okt 6, 2025 - 19:25
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Kapitel 6: Vom Übergang zum Stillstand – Warum Loitz mehr als eine neue Brücke braucht
Abgesperrt und vergessen? Die marode Ibitzbach-Brücke in Loitz – ein stilles Symbol für Warteschleifen, Umwege und verpasste Chancen.
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Kapitel 6: Vom Übergang zum Stillstand – Warum Loitz mehr als eine neue Brücke braucht


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Die kleine Fußgängerbrücke am Ibitzbach ist längst mehr als nur ein Übergang – sie ist Symbol. Symbol für die Vergangenheit gemeinschaftlicher Aufbauarbeit in der DDR, Symbol für unterlassene Wartung, für bürokratischen Stillstand, aber jetzt auch: Projektionsfläche für die Zukunft der Stadt Loitz.

Denn mit dem geplanten Förder- und Kompetenzzentrum Loitz (Schule für emotionale und soziale Entwicklung), das ab dem Schuljahr 2026/2027 in der umgebauten alten Grundschule seinen Betrieb aufnehmen soll, rückt diese Brücke wieder in den Mittelpunkt städtischer Mobilität. Was jahrzehntelang einfach Schulweg war, wird erneut zur infrastrukturellen Lebensader. Für viele Kinder und Jugendliche wird der Übergang über den Ibitzbach der direkte Weg in die Stadt – zur Bushaltestelle an der Demminer Straße, zu Versorgungseinrichtungen, Therapien, Freizeitangeboten. Gerade für eine Schülerschaft mit physischen oder psychischen Herausforderungen ist Barrierefreiheit keine Option, sondern absolute Notwendigkeit.

Der tägliche Weg beginnt oft am Alten Steintor, führt entlang der Demminer Straße, passiert eine der wenigen sicheren Querungen – den Fußgängerüberweg am Demminer Tor – und verläuft weiter am Stadtwall und der alten Stadtmauer entlang. Die Brücke über den Ibitzbach ist dabei nicht nur ein funktionales Element, sondern ein zentrales Glied dieser Kette. Dahinter erstreckt sich die Greifswalder Straße, eine Passage ohne gesicherten Übergang, weiter in die Greifswalder Vorstadt – ein Gebiet, aus dem viele Schüler*innen und Mitarbeitende täglich pendeln.

Was hier entsteht, ist ein neuer alltäglicher Bewegungsraum für rund 170 Schüler*innen mit körperlichen oder emotionalen Beeinträchtigungen, begleitet von einem differenzierten Personalschlüssel: Lehrkräfte, Sonderpädagoginnen, Erzieherinnen (Internat), Sozialpädagoginnen, Psychologinnen, therapeutisches Fachpersonal sowie Verwaltungs-, technisches und hauswirtschaftliches Personal. All diese Menschen brauchen nicht nur eine Schule – sie brauchen sichere Wege dorthin. Aktuell ist das ein offenes Problem: Nicht nur die Brücke, auch die Parkplatzsituation für Mitarbeitende ist ungeklärt. Es fehlen klare Lösungen für Verkehr, Zufahrt, Sicherheit – und vor allem: der verlässliche Übergang selbst.

Und genau deshalb wirkt die derzeitige Situation wie ein Widerspruch in sich. Während Millionen in pädagogische Zukunft investiert werden, steht eine der zentralen Infrastrukturen dieser Zukunft – eine Brücke – wie ein Mahnmal für das, was nicht mitgedacht wurde. Der Kontrast könnte größer kaum sein: drinnen moderne Lernräume, draußen ein rostiger Pfad ins Offene.

Die Kritik richtet sich längst nicht mehr nur auf vergangene Versäumnisse in der Bauunterhaltung, sondern trifft ein tieferes Nervensystem – das politische Selbstverständnis von Infrastruktur. Denn was nutzt ein „Leuchtturmprojekt“, wenn der Weg dorthin durch Schlaglöcher, Umwege oder Unsicherheit führt? Wie glaubwürdig ist das Versprechen von Inklusion und Teilhabe, wenn eine Schülerin mit Rollstuhl die Stadt nicht barrierefrei erreichen kann? Wenn der Schulweg selbst zum Hindernis wird?

Fazit: Die neue Brücke ist weit mehr als ein bauliches Detail. Sie ist der erste Schritt in Richtung Teilhabe. Sie ist Geschichte in Beton gegossen – oder eben das Fehlen dieser Geschichte, wenn sich nichts bewegt. Es geht um viel mehr als um einen Querträger über Wasser. Es geht um Vertrauen: in eine Stadt, die sich modern zeigen will; in eine Verwaltung, die ihre Bürger*innen ernst nimmt; und in eine Gesellschaft, die sich an ihren kleinsten Übergängen messen lassen muss – zum Wohl aller Einwohner*innen.


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Die Brücke über den Ibitzbach – Mehr als ein Bauwerk

Fragen und Antworten – Die Brücke über den Ibitzbach in Loitz

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