Kleine Brücke, großer Stillstand - Warum in Loitz der Weg über den Ibitzbach zum Problem wurde
Die Ibitzbach-Brücke in Loitz wird zum Prüfstein: DDR-Eigenbau (1974), seit 2021 teils gesperrt, nun Ersatz aus Spannbeton. Mehr als Technik: Mit dem Förder- und Kompetenzzentrum (ab 2026/27) entscheidet sie über Teilhabe, sicheren Schulweg von 170 Schüler*innen – und Vertrauen.
Kapitel 3: Ein Übergang, der keiner mehr ist – Der aktuelle Zustand
Direkt springen: Kapitel 1–8 · Disclaimer
Man merkt es zuerst gar nicht. Man geht einfach den Weg, den man schon immer gegangen ist – vorbei an vertrauten Häusern, durch eine kleine Kurve, dann steht man plötzlich vor ihr. Und dann merkt man: Irgendwas stimmt nicht. Die Brücke, dieser vertraute Übergang über den Ibitzbach, sieht anders aus. Eingeengt. Abgesperrt. Die Schilder sind verblasst, die Absperrbaken tragen mehr Spuren des Wetters als frische Farbe. Und der Weg, der früher offen war, ist heute schmal wie ein Kompromiss.
Seit dem Jahr 2021 ist sie offiziell nur noch eingeschränkt nutzbar. Die Brückenprüfung – eine dieser gesetzlich vorgeschriebenen Routinekontrollen – brachte damals ernüchternde Ergebnisse. Mängel in der Tragfähigkeit, rostige Geländer, Materialermüdung – kein sofortiger Einsturz, aber zu viel, um sie guten Gewissens weiterhin komplett freizugeben. Seitdem flankieren rot-weiße Warnbaken den Durchgang, und das, was früher ein selbstverständlicher Weg war, ist heute ein Problem für viele.
Denn diese Brücke ist nicht einfach irgendein Steg. Sie liegt mitten in einem innerstädtischen Netz aus Wegen, das Menschen täglich brauchen. Vor allem zu Fuß. Vor allem mit dem Rad. Vor allem mit dem, was das Leben manchmal mitbringt – einen Kinderwagen. Einen Rollator. Ein bisschen Unsicherheit beim Gehen. Für diese Menschen ist der verbliebene Durchlass längst kein Weg mehr, sondern eine Hürde. Wer nicht absolut mobil ist, kommt hier nicht mehr gut rüber.
Das gilt besonders für ältere Menschen. Eine Einwohnerin, die zwei Straßen weiter wohnt und regelmäßig zur Apotheke muss, erzählt, dass sie inzwischen lieber einen großen Umweg läuft – aus Angst, zwischen den Absperrungen stecken zu bleiben. Auch Schüler*innen, die früher die Brücke auf dem Schulweg nutzten, wählen nun den längeren Weg über die große Straße, die weder besonders schön noch besonders sicher ist.
Und dieser Schulweg wird in Zukunft noch viel wichtiger. Denn mit dem geplanten Einzug des Förder- und Kompetenzzentrums Loitz (Schule für emotionale und soziale Entwicklung) in das Gebäude der ehemaligen Grundschule wird genau dieser Übergang wieder zu einer tragenden Achse. Der Weg vom Alten Steintor über die Demminer Straße, vorbei an der Bushaltestelle mit sicherem Fußgängerüberweg und entlang der historischen Stadtmauer führt zur Schule – und geht weiter: über die Ibitzbach-Brücke, entlang der Greifswalder Straße bis in die Greifswalder Vorstadt. Dort fehlt bislang eine gesicherte Querung.
Für rund 170 Schüler*innen mit körperlichen, emotionalen oder sozialen Beeinträchtigungen ist dieser Schulweg nicht irgendeine Strecke. Es ist ihr täglicher Pfad – begleitet von Lehrkräften, Sonderpädagoginnen, Erzieherinnen (Internat), Sozialpädagoginnen, Psychologinnen, therapeutischem Fachpersonal sowie Verwaltungs-, technischem und hauswirtschaftlichem Personal. Eine stille, aber hochkomplexe Bewegung von Menschen, die auf Sicherheit, Barrierefreiheit und verlässliche Infrastruktur angewiesen ist.
Die Parkplatzsituation für Mitarbeitende ist bislang ungeklärt, das Verkehrskonzept am künftigen Schulstandort noch in Arbeit – aber eines ist klar: Ohne eine funktionierende, barrierefreie Brücke über den Ibitzbach entsteht ein Flaschenhals, der weit über symbolische Wirkung hinausgeht. Hier geht es um tägliche Mobilität, um Chancengleichheit, um ein Mindestmaß an städtebaulicher Rücksicht.
Und damit steht Loitz nicht alleine da. Der Zustand dieser einen Brücke ist Teil eines größeren Musters. In der Umgebung wurden in den vergangenen Jahren weitere Übergänge bereits ganz gesperrt, weil sie schlicht zu gefährlich wurden. Die kleine Holzbrücke am Mühlenbach – dicht. Der Steg am westlichen Stadtrand – unbenutzbar. Das klingt nach Einzelheiten, nach Infrastrukturverwaltung. Aber in der Summe bedeutet es: weniger Verbindungen, mehr Umwege. Und mehr Menschen, die auf der Strecke bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes.
Derzeit ist die Brücke am Ibitzbach also eine halbe Sache. Und halbe Sachen helfen nicht. Sie kosten Zeit, Kraft, Vertrauen. Während Planungen laufen, Ausschreibungen vorbereitet und Fördermittel beantragt werden, gehen jeden Tag Menschen an diesem Ort vorbei – und fragen sich, wie lange das noch so bleibt. Die Antwort? Vage. Der Zustand? Sichtbar. Und die Lücke, die das alles hinterlässt? Deutlich spürbar.
↑ Zurück zum Seitenanfang Kapitel 3
Die Brücke über den Ibitzbach – Mehr als ein Bauwerk
Fragen und Antworten – Die Brücke über den Ibitzbach in Loitz
↑ Zurück zum Seitenanfang Kapitel 3
Wie ist Ihre Reaktion?
