Kleine Brücke, großer Stillstand - Warum in Loitz der Weg über den Ibitzbach zum Problem wurde

Die Ibitzbach-Brücke in Loitz wird zum Prüfstein: DDR-Eigenbau (1974), seit 2021 teils gesperrt, nun Ersatz aus Spannbeton. Mehr als Technik: Mit dem Förder- und Kompetenzzentrum (ab 2026/27) entscheidet sie über Teilhabe, sicheren Schulweg von 170 Schüler*innen – und Vertrauen.

Okt 3, 2025 - 15:01
Okt 3, 2025 - 15:57
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Kapitel 1: Ein Bauwerk und seine Geschichte – oder: Wie aus einer Brücke ein Politikum wurde
Abgesperrt und vergessen? Die marode Ibitzbach-Brücke in Loitz – ein stilles Symbol für Warteschleifen, Umwege und verpasste Chancen.
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Kapitel 1: Ein Bauwerk und seine Geschichte – oder: Wie aus einer Brücke ein Politikum wurde


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Sie steht da, als hätte man sie einfach vergessen. Verbeultes Geländer, rostige Kanten, abgesperrt mit rot-weißen Baken – die kleine Fußgängerbrücke am Ibitzbach in Loitz. Früher war sie ein selbstverständlicher Teil des Stadtlebens. Heute ist sie ein Symbol für das, was passiert, wenn man zu lange wartet. Seit Jahren ist der Übergang beschädigt, die Brücke nur noch eingeschränkt begehbar, ein Ersatzbau beschlossen – aber bis heute nicht realisiert. Der geplante Neubau ist teuer, die Diskussion darum langwierig, die Folgen für viele spürbar.

Dabei geht es hier nicht nur um Technik oder Kosten. Es geht um Wege, die fehlen – wortwörtlich. Die Brücke verbindet das Stadtzentrum mit Wohngebieten, Schulen, dem Supermarkt, Arztpraxen. Sie war eine kurze Verbindung, ein alltäglicher Pfad, der jetzt Umwege verlangt – und das gerade für die, die am wenigsten Kraft dafür haben: ältere Menschen, Familien mit Kinderwagen, Menschen mit Gehhilfen oder Rollstuhl. Für die Einwohner*innen der Stadt Loitz bedeutet das: Alltägliches wird mühsam. Wo einst Nähe war, ist jetzt ein Hindernis.

Und dieses Hindernis trifft bald noch viel mehr Menschen: Denn die alte Grundschule in unmittelbarer Nähe wird ab dem Schuljahr 2026/2027 zum Förder- und Kompetenzzentrum Loitz (Schule für emotionale und soziale Entwicklung) – ein Leuchtturmprojekt in der Region, das Kindern mit besonderen Herausforderungen einen geschützten Lernraum ermöglichen soll. Genau dafür ist die Brücke mehr als nur Infrastruktur – sie wird zu einem entscheidenden Teil eines täglichen Weges.

Der künftige Schulweg beginnt oft schon am Alten Steintor, führt über die Demminer Straße mit Fußgängerüberweg, entlang des Stadtwalls und vorbei an der historischen Stadtmauer. Für viele verläuft er über den Ibitzbach hinweg, hinein in die Greifswalder Vorstadt – ein stiller, aber notwendiger Pfad durch das Herz der Stadt. Tag für Tag werden ihn etwa 170 Schüler*innen mit körperlichen oder sozialen Beeinträchtigungen gehen. Begleitet von Lehrkräften, Sonderpädagoginnen, Erzieherinnen (Internat), Sozialpädagoginnen, Psychologinnen, therapeutischem Fachpersonal sowie Verwaltungs-, technischen und hauswirtschaftlichem Personal. Dazu kommt die schlichte Logistik des Arbeitsalltags – und selbst die Parkplatzsituation für Mitarbeitende ist bislang nicht geklärt.

Die ehemalige Grundschule wird damit nicht nur wieder zu einem Ort des Lernens, sondern zu einem zentralen Begegnungsort in Loitz – zu einem neuen Hotspot für Inklusion, Teilhabe und Achtsamkeit im Alltag. Und ausgerechnet dorthin führt heute kein verlässlicher Übergang. Die Brücke – einst beiläufig genutzt – wird nun zur Nagelprobe für den Anspruch, den sich eine Stadt an moderne Bildungsräume und barrierefreie Mobilität stellt.

Und was steht auf dem Spiel? Nicht weniger als das Vertrauen in öffentliche Verantwortung. Denn eine Stadt zeigt sich nicht nur in ihren Leuchtturmprojekten, sondern vor allem in der Pflege ihrer kleinen, aber wichtigen Strukturen. In Loitz zeigt sich an dieser Brücke, wie der Umgang mit öffentlicher Infrastruktur auch immer ein Spiegel ist – für das, was wir gemeinsam tragen, und für das, was wir schleifen lassen, bis es auseinander bricht.

Diese Geschichte ist nicht nur lokal relevant. Sie stellt grundsätzliche Fragen: Wie gehen wir mit dem Alltäglichen um? Was ist uns eine Abkürzung wert, wenn sie vielen den Weg ebnet? Und warum bemerken wir oft erst, wie wichtig etwas ist – wenn es nicht mehr da ist?


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Die Brücke über den Ibitzbach – Mehr als ein Bauwerk


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