Marktstrasse - Maß und Staub - Zyklus in sechs Akten (Monolog)
Ein dokumentarischer Monolog über Sprache, Ordnung und Verantwortung. Basierend auf realen Vorgängen in Loitz. Ein Zyklus in sechs Akten - zwischen Zuschreibung und Beleg, Wiederholung und Widerstand. Nicht Fiktion. Nicht Urteil. Sondern: Strukturiertes zum Sehen.

Akt I: Das Urteil
16. April 2025.
Eine Sitzung. Ein Mikrofon. Ein Protokoll.
Die Bürgermeisterin spricht von einer Familie –
nicht beim Namen, sondern in Kategorien.
„Großfamilie mit Migrationshintergrund.“
Ordnung müsse wieder greifen, sagt sie.
Lärm. Müll. Versicherungsfragen.
Es klingt nüchtern – wie ein Verwaltungsakt.
Und doch fällt etwas mit: ein Schatten.
Noch am selben Tag erscheint ein Artikel.
„Großfamilie sorgt für Ärger.“
Kein Protokoll, kein Abgleich, kein Zitat.
Nur: Ärger.
Was fehlt, fällt nicht auf:
Keine Akte der Polizei.
Kein Beleg für Gefährdung.
Keine Bestätigung der Bauaufsicht.
Im Gegenteil:
Die Häuser – modernisiert.
Die Wohnungen – bewohnbar.
Die Lage – ruhig.
Doch der Begriff war gefallen:
„Belastung.“
Und mit ihm: ein Urteil.
Ohne Verfahren.
Das Maß ist gesetzt.
Nicht durch Beweise – sondern durch Sprache.
„Regelbruch.“
„Integration gescheitert.“
„Unruheherd.“
Noch kein Verfahren, kein Gutachten, keine Zahl –
aber schon ein Narrativ.
Wer schützt, wenn Sprache zuschlägt?
Wer prüft, wenn Zustimmung schneller ist als das Gesetz?
Wer trägt, wenn Vertrauen geopfert wird –
auf dem Altar der Ordnung?
Die Ordnung – sie kommt nicht als Lösung.
Sie kommt als Erwartung.
Und die Straße – Marktstraße –
wird zur Bühne.
Nicht für Aufklärung.
Sondern für Wiederholung.
Wie ist Ihre Reaktion?






