7-Gedanken: Selbst sichtbar werden - statt dargestellt sein
Eine gestalterisch-philosophische Auseinandersetzung über Gestaltung als Haltung. In sieben Gedanken wird Sehen, Entscheiden, Reduzieren und Wahrnehmen neu erfahrbar – als Einladung zur Präsenz, nicht zur Abbildung. Ruhig. Präzise. Offen für Zwischentöne. Im Sinne von Catharine Remberts Lehre.

GEDANKE 2: Der Raum dazwischen
Wenn wir über Gestaltung sprechen, reden wir oft über Formen.
Über das Sichtbare. Das Konturierte. Das gesetzte Bild.
Doch was ist mit dem, was nicht gezeichnet wurde?
Catharine Rembert hatte eine stille, aber eindringliche Art,
diesen Raum ins Denken zu holen.
Nicht als Mangel – sondern als Möglichkeit.
Nicht als Leerstelle – sondern als Substanz.
Der Raum zwischen den Dingen war für sie kein Vakuum,
sondern ein Resonanzraum.
Etwas, das verbindet – oder trennt.
Und gerade dadurch: zum Klingen bringt.
Ihre Lehre war nie bloß formbezogen. Sie war raumbewusst.
Nicht im architektonischen Sinn, sondern als Haltungsfrage:
Wie viel lasse ich offen?
Was darf unausgesprochen bleiben?
Wo entsteht Spannung – nicht durch das, was ich sage,
sondern durch das, was ich nicht sage?
Zwei schlichte Formen konnten nebeneinander liegen –
und plötzlich entstand etwas Drittes.
Etwas Ungesagtes, Ungezeichnetes – und dennoch spürbar.
Ein Zwischenraum, der sich nicht aufdrängt, aber trägt.
Wie ein Blick, der nicht auf etwas gerichtet ist,
sondern dazwischen verweilt.
Solche Räume fordern Geduld.
Sie öffnen sich nicht auf den ersten Blick.
Sie laden nicht zum schnellen Konsum –
sondern zum Verweilen.
Denn Leere stellt eine Frage:
Hältst du das aus – dass da nichts ist und trotzdem etwas geschieht?
Im Alltag überzeichnen wir solche Räume oft mit Eindeutigkeit.
Wir füllen sie mit Meinungen, mit Erklärungen, mit Lautstärke.
Remberts Lehre aber lud ein, anders zu sehen:
Nicht: Was sehe ich?
Sondern: Was ist dazwischen?
Nicht: Welche Form ist richtig?
Sondern: Welche Spannung entsteht zwischen den Formen?
Vielleicht liegt hierin ein tieferes Prinzip von Gestaltung:
Nicht Dinge zu machen –
sondern Beziehungen zu ermöglichen.
Nicht zu bauen –
sondern zu balancieren.
Der Zwischenraum – das ist der Ort, an dem Beziehung sichtbar wird.
Zwischen Linie und Fläche.
Zwischen Figur und Grund.
Zwischen dem Ich und dem Anderen.
In der Musik ist es die Stille zwischen den Tönen, die Rhythmus schafft.
In der Sprache ist es die Pause, die Bedeutung atmen lässt.
In der Gestaltung ist es der unbesetzte Raum,
der zeigt, wie etwas wirkt.
Vielleicht ist dies einer der leisesten Gedanken –
aber gerade deshalb: einer der kraftvollsten.
Nicht, weil er uns sagt, was zu tun ist –
sondern weil er uns erinnert,
was wir oft übersehen:
Dass Gestaltung nicht nur im Machen geschieht –
sondern im Lassen.
Nicht nur in der Form –
sondern im Dazwischen.
Wie ist Ihre Reaktion?






