Die Influencer-Falle: Kennzeichnungspflichten bei unbezahlter Unterstützung

Was ist Meinung, was ist politische Kommunikation? Dieses Dossier erklärt die neue EU-Kennzeichnungspflicht für unbezahlte politische Inhalte – verständlich, praxisnah, für Creator:innen, NGOs und Plattformen.

Okt 21, 2025 - 17:41
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Kapitel 4: Verantwortung der Plattformen und regulatorische Umsetzung
Wenn Worte Wirkung zeigen: Ein einsamer Schreiber bei Nacht – Sinnbild für Verantwortung, Reichweite und politische Sichtbarkeit.
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Kapitel 4: Verantwortung der Plattformen und regulatorische Umsetzung

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Moderieren, markieren, melden. Die TTPW-VO macht auch Plattformen zu aktiven Mitspielern. Dieses Kapitel zeigt, wie Algorithmen politische Inhalte erkennen sollen – und was passiert, wenn sie falsch liegen. Eine Schnittstelle voller Spannungen – vor allem im Zusammenspiel mit dem DSA.

4.1 Erkennung unbezahlter Unterstützung – Wie Plattformen politisch wirksame Inhalte identifizieren

Mit der TTPW-Verordnung rückt nicht nur der einzelne Nutzer in den Fokus, sondern auch die Verantwortung der Plattformen selbst. Denn sie sollen künftig mithelfen, politisch wirksame Inhalte – auch wenn sie unbezahlter Natur sind – zu erkennen und transparent zu machen.

Doch wie soll das funktionieren, wenn die Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und politischer Einflussnahme oft so fließend ist?

Die Antwort liegt in einer Kombination aus algorithmischer Detektion und manueller Prüfung.

Plattformen werden zunehmend Technologien einsetzen müssen, die auf Basis von Schlüsselwörtern, Tonalität, Hashtags und semantischer Analyse Beiträge erkennen, die politische Kommunikation im Sinne der TTPW-VO darstellen könnten.

Diese Vorfilterung kann jedoch nie allein entscheidend sein. Deswegen ist zusätzlich ein Mechanismus manueller Überprüfung vorgesehen – etwa durch Plattformteams, durch Meldemechanismen oder im Zweifel auch durch regulatorische Behörden.

Es entsteht ein neues Zusammenspiel zwischen Technik, Moderation und Regulierung.

4.2 Durchsetzung und Maßnahmen – Von der Kennzeichnung bis zur Sperrung

Kommt es zu einer Pflichtverletzung – etwa dem bewussten Unterlassen einer Kennzeichnung trotz politischer Wirkung – sieht die TTPW-VO verschiedene Maßnahmen vor.

Plattformen können Beiträge löschen, sperren oder zur Nachbesserung auffordern.

In schwerwiegenden oder wiederholten Fällen kann auch eine Meldung an nationale Aufsichtsbehörden erfolgen.

Diese behalten sich weitergehende Sanktionen vor, insbesondere bei systematischer Umgehung der Verordnung.

Interessant ist dabei der Unterschied in der Behandlung bezahlter vs. unbezahlter Inhalte.

Während klassische Werbeformate meist leicht identifizierbar sind, ist bei ideell motivierten Posts eine detailliertere Einzelfallprüfung notwendig.

Das erfordert Fingerspitzengefühl – insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Meinungsfreiheit.

Denn genau hier liegt die Herausforderung: Transparenzpflicht und Meinungsfreiheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Die Aufgabe der Plattformen liegt daher nicht nur in der technischen Umsetzung, sondern auch in einer moderierenden Rolle: Sie müssen Prozesse schaffen, die gerecht, nachvollziehbar und sensibel genug für die gesellschaftliche Dimension politischer Kommunikation sind.

4.3 Schnittstelle zum DSA – Zwei Regelwerke, ein Spannungsfeld

Die Umsetzung der TTPW-VO geschieht nicht im luftleeren Raum. Vielmehr greift sie in ein bereits bestehendes regulatorisches Gefüge ein – insbesondere in die Vorgaben des Digital Services Act (DSA).

Dabei entsteht Konfliktpotenzial: Etwa dann, wenn Plattformen politische Inhalte moderieren oder löschen, weil sie gemäß DSA als Desinformation gelten – obwohl sie nach TTPW-VO vielleicht nur kennzeichnungspflichtig wären.

Umgekehrt kann ein Beitrag, der nach TTPW-VO korrekt gekennzeichnet ist, dennoch nach DSA als problematisch eingestuft werden.

Hier sind Vermittlungsstrategien gefragtauch auf Ebene der EU-Kommission und der nationalen Durchsetzungsstellen.

4.4 Rechte der Nutzer:innen – Schutz vor übermäßiger Moderation

Ein wichtiger Ankerpunkt im DSA ist Art. 17: Er räumt Nutzer:innen das Recht ein, Entscheidungen über Löschungen oder Einschränkungen anzufechten.

Das betrifft natürlich auch Beiträge, die unter die TTPW-VO fallen – insbesondere dann, wenn fälschlicherweise von politischer Wirkung ausgegangen wird.

Nutzer:innen haben das Recht:

  • Beschwerde einzulegen
  • eine Begründung zu erhalten
  • eine zweite Bewertung einzufordern

Dies schützt vor übereilten Eingriffen und schafft ein Gegengewicht zur algorithmischen Macht der Plattformen.

4.5 Zwei Perspektiven – ein gemeinsamer Raum

Auch wenn TTPW-VO und DSA zwei unterschiedliche gesetzliche Regelwerke darstellen, berühren sie denselben Raum: die öffentliche Kommunikation auf digitalen Plattformen.

Doch obwohl sie sich in ihrer Zielrichtung überschneiden, setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte.

Die TTPW-VO hat das Ziel, mehr Transparenz in der politischen Kommunikation zu schaffen. Ihr Fokus liegt auf der Kennzeichnungspflicht: Politisch wirksame Inhalte – ob bezahlt, gesponsert oder ideell motiviert – sollen für Nutzer:innen klar erkennbar sein.

Im Mittelpunkt steht stets die Wirkung des Inhalts: Sobald ein Beitrag geeignet ist, politische Meinungen oder Entscheidungen zu beeinflussen, wird er relevant für die Verordnung.

Im Gegensatz dazu verfolgt der DSA das übergeordnete Ziel, einen sicheren digitalen Raum zu gewährleisten – insbesondere durch den Schutz vor Desinformation, Hassrede und rechtswidrigen Inhalten.

Sein Fokus liegt auf Inhaltsmoderation und Stärkung der Rechte der Nutzer:innen, etwa durch transparente Beschwerdemechanismen und Maßnahmen gegen Plattformwillkür.

Der Ausgangspunkt ist hier die Rechtswidrigkeit von Inhalten sowie die damit verbundene Verantwortung der Plattformbetreiber.

So wird deutlich:

  • TTPW-VO schaut auf politische Wirkung und fordert Transparenz.
  • DSA schaut auf Gefahrenpotenzial und regelt Eingriffe bei Rechtsverstößen.

Zwei verschiedene Ansätze – aber mit einem gemeinsamen Wirkungsort: der digitale öffentliche Raum.

Fazit Kapitel 4:

Die Plattformen sind nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung.

Ihre Algorithmen entscheiden über Sichtbarkeit, ihre Regeln über Teilnahme.

Die TTPW-VO macht ihnen klar: Wer Raum für politische Kommunikation bietet, trägt Verantwortung für Transparenz – auch dann, wenn kein Geld im Spiel ist.

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