Der Mühlstein und das Schweigen (2025)
Ein Vater schweigt, ein Sohn stirbt – die alte Mühle wird zum Ort einer tragischen Lehre. In starken Bildern erzählt die Ballade vom Bruch zwischen den Generationen und der zerstörerischen Kraft des Ungesagten.

Am Fluss die alte Mühle stand,
das Rad schlug schwer an Stein und Wand.
Der Müller schwieg, sein Blick war hart,
das Mahlwerk lief nach alter Art.
Der Erstgebor’ne sprach voll Mut:
„Ich packe selber an das Guth!
Wenn Vater schweigt, so will ich sehn,
ob Räder drehn, was sie verstehn.“
Ein Bolzen sprang, ein Krachen laut,
der Mühlstein brach den eis’gen Baut.
Er rollte nieder, schwer wie Blei,
zerschlug den Sohn – sein Weg war frei.
Die Mutter kam, sie rang die Hand:
„O Mann, dein Herz ist wie verbannt!
Du hast ihn nie das Werk gelehrt,
nun liegt er tot, vom Stein versehrt.“
Der Müller sprach: „Die Zeit ist streng,
sie nimmt den Sohn, sie kennt kein G’lenk.
Der Stein, er mahlt, er fragt nicht viel,
er folget nur des Wassers Spiel.“
„Nein, Mann,“ so rief die Frau voll Glut,
„es war nicht Zeit, es war dein Mut!
Dein Schweigen, deine starre Art,
die trug den Sohn zur Totenfahrt.“
Der jüng’re Bruder stand im Tor:
„Ich sah das Werk, ich stand davor.
Der Stein hielt kein Schreien an,
nur wer ihn kennt, der hält ihn bann.“
„Komm, Kind,“ sie sprach und hielt ihn fest,
„du bist nun all mein Trost, mein Nest.
Du sollst nicht sterben, wie er starb,
weil Vaters Schweigen Wissen darb.“
Da trat der Müller ernst hinzu:
„Nun hör, mein Sohn, und schweig nicht du.
Ich lehre dich das Rad zu binden,
dass Kraft und Maß sich recht verbinden.“
„Ich schweig nicht mehr, ich zeig dir Hand,
wie Wasser läuft, wie Riemen stand.
Die Mühle mahlt, doch du sollst leben,
drum will ich Rat und Lehre geben.“
Die Mutter, sie weinte still und bang:
„Zu spät, zu spät, der Weg war lang.
Ein Sohn liegt tot beim Wagenplatz,
dem andern gibst du nun Ersatz.“
Das Dorf erzählt, wenn Feuer brennt,
wie Stein und Rad den Sohn verbrennt.
Wer Müllers Werk kennt, der lebt darin,
wer’s nicht versteht, verliert Gewinn.
#Gedanken des Künstlers in bildlicher Form
Zu »Der Mühlstein und das Schweigen« (2025)
Diese Ballade entstand aus einer inneren Bewegung heraus. Gespeist von einer Erfahrung, die viele teilen: Dass Schweigen – wenn es andauert – zerstören kann.
In den Bildern von Wasser und Mühlrad, vom schweren Stein und vom fehlenden Wort, verdichtet sich ein Motiv, das älter ist als wir: das Aufeinanderprallen von Generationen, das Ringen um Verantwortung, das Verharren in alten Mustern.
Es geht nicht um Schuld. Sondern um das Nicht-Gesagte – das sich irgendwann seinen Weg bahnt.
Der Mühlstein wird zum Sinnbild jener Kräfte, die wir nicht aufhalten können. Nicht, weil sie grausam wären – sondern weil wir sie nicht zu verstehen suchten.
Die Figuren dieser Dichtung sind nicht real. Sie tragen Masken: Vater. Mutter. Sohn. Werk. Und doch sind sie uns allen vertraut.
Diese Verse wollen keine Namen nennen. Sie wollen ein Echo sein. Ein Echo auf das, was viele kennen: den Moment, in dem sich ein Rad dreht – und man wünscht, jemand hätte früher gesprochen.
Wer Kraft nicht zügelt, Rad nicht bannt,
den rollt es nieder, der Tod ihn fand.
Wie ist Ihre Reaktion?






