KOMMENTAR: Wenn zwei Familien für eine ganze Stadt sprechen wollen

Der Kommentar analysiert, wie zwei Familien aus dem Umfeld der Marktstraße in Loitz versuchen, die öffentliche Deutungshoheit über ein ganzes Viertel - und darüber hinaus - zu beanspruchen. Aus persönlichen Beobachtungen werden Narrative, aus Einzelmeinungen angebliche Mehrheiten. Eine Bürgersprechstunde im AWO-Raum wird zur Bühne, auf der Nähe zur Verwaltung, politische Verantwortung ersetzt.

Jun 30, 2025 - 15:55
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KOMMENTAR: Wenn zwei Familien für eine ganze Stadt sprechen wollen
Wenn der Gedanke zur Lösung das Problem ist, war das Problem nie mehr als ein Gedanke.

Kommentar: Wenn zwei Familien für eine ganze Stadt sprechen wollen

Zur Situation rund um die Marktstraße Loitz – Stand Juni 2025

Rund um die Marktstraße gibt es viele Stimmen. Aber zwei sind besonders laut. Zwei Familien, die nicht in der Straße selbst wohnen, sondern in den angrenzenden Häusern im Kreuzungsbereich, beanspruchen die Deutungshoheitnicht nur über ihr eigenes Umfeld, nicht nur über das Viertel, sondern über weite Teile der Stadt.

Was sich hier vollzieht, ist kein gewöhnlicher Nachbarschaftskonflikt. Es ist der Versuch, öffentliche Räume nicht nur physisch, sondern sprachlich zu besetzen. Wer widerspricht, wird nicht sachlich entkräftet – sondern verdächtigt, marginalisiert oder zum Schweigen gebracht. Was früher eine Frage des Miteinanders war, ist heute eine Frage des Anspruchs: Wer hat das Recht, für das Ganze zu sprechen?

Die Methode ist bekannt. Einzelne Beobachtungen werden verallgemeinert, private Einschätzungen als kollektive Erfahrung inszeniert. Was nicht ins eigene Weltbild passt, wird abgewertet – durch gezielte Unterstellung, selektive Empörung oder das bewusste Verschieben von Zusammenhängen. Aus Alltäglichem wird Alarmierendes. Und wer nicht mitgeht, wird zur Projektionsfläche.

Verstärkt wird diese Dynamik durch öffentlich legitimierte Räume – zuletzt bei der Bürgersprechstunde am 20. Juni 2025 im AWO-Raum. Offiziell ging es um das Thema Migration. Tatsächlich jedoch wurde dort ein Resonanzraum für genau jene Narrative geschaffen, die zuvor bereits durch Gerüchte, Verdächtigungen und Überlagerung von Tatsachen geprägt waren. Zwei Familien dominierten die Wortmeldungen. Mario Kerle moderierte. Tilo Janzen war dabei. Von Lösungen war die Rede – aber keine wurde benannt. Von Problemen – aber nicht von deren Ursachen.

In Kombination mit dem laufenden Bürgermeisterwahlkampf entsteht so ein gefährliches Muster: Emotion ersetzt Evidenz. Nähe zur Verwaltung ersetzt die Verantwortung. Und wer eine andere Sicht einbringt, wird öffentlich aussortiertnicht durch Argumente, sondern durch Auslassung.

Loitz steht damit vor einer sprachlichen Verengung: Nicht der Konflikt an sich ist das Problem, sondern seine Monopolisierung. Wenn zwei Familien beanspruchen, für „die Straße“ oder gar „die Stadt“ zu sprechen, ohne Widerspruch zuzulassen, entsteht kein Diskurs – sondern ein geschlossenes System. Doch Demokratie lebt nicht vom Einvernehmen, sondern vom Aushalten unterschiedlicher Wirklichkeiten.

Am Ende steht die Erkenntnis:

„Der größte Fehler im Umgang mit Menschen besteht darin,
zu glauben, dass sie denken wie du.“

– Vera F. Birkenbihl

Denn wer sich selbst zum Maßstab erhebt, verliert schnell den Blick für die Vielfalt, die jede Stadt lebendig hält.

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