Die Causa „Marktstraße“: Anatomie einer Inszenierung

„Marktstraße – Anatomie einer Inszenierung“ erzählt, wie sich ein lokales Gerücht in eine politische Realität verwandelt. Ein persönlicher, präziser Text über Sprache, Angst und Verantwortung – und die zerstörerische Macht populistischer Narrative.

Okt 11, 2025 - 19:46
Okt 11, 2025 - 19:48
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Fazit: Das Versagen der politischen Kultur
Ein leerer Raum, Licht, Stuhl, Tisch – Bühne der Behauptung. Wo keine Beweise sind, entsteht ein Bild: inszeniert, wirkmächtig, glaubhaft.
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Fazit: Das Versagen der politischen Kultur

Was sich im Landtag rund um die Marktstraße abspielte, war mehr als nur eine hitzige Debatte. Es war ein offenes Schaufenster politischer Kultur – und zugleich ihr Scheitern. Nicht, weil jemand laut wurde oder Grenzen überschritt. Sondern weil beide Seiten das Wesentliche aus dem Blick verloren: die Verantwortung, die ihnen in einem emotional aufgeladenen Klima eigentlich zukam.

Auf der einen Seite: die AfD. Ihre Argumentation war inhaltlich schwach, faktenarm – und doch wirksam. Sie setzte nicht auf Belege, sondern auf Bilder. Auf Wiederholung, Zuspitzung, Emotionalisierung. Die Täter-Opfer-Umkehr war dabei kein Kollateralschaden, sondern strategischer Kern: Wer Ängste bedient, ohne sie einzuordnen, kann Einfluss gewinnen. Und das geschah mit voller Absicht.

Auf der anderen Seite: der Innenminister. Juristisch korrekt, sachlich zurückhaltend – aber kommunikativ defensiv. Statt der populistischen Erzählung mit klaren Fakten zu begegnen – den rassistisch motivierten Angriffen, den Ermittlungen des Staatsschutzes, den sichtbaren Integrationsleistungen der Betroffenen – wich er ins Allgemeine aus. Und genau dadurch überließ er das Feld der Zuspitzung jenen, die es zu beherrschen wussten.

Was daraus entstand, war ein „Dialog der Tauben“: Beide redeten – aber keiner hörte wirklich zu. Weder dem politischen Gegenüber, noch den Menschen, um die es eigentlich ging. Die Verunsicherung in der Bevölkerung wurde nicht aufgeklärt, sondern verstärkt. Die tatsächlichen Opfer – bedroht, angegriffen, ausgegrenzt – gerieten aus dem Fokus und wurden selbst zum Spielball politischer Rhetorik.

Zurück bleibt ein bitterer Befund: In einer sensiblen Lage versagte die politische Kultur gleich doppelt – durch laute Vereinfachung auf der einen Seite und durch stilles Zögern auf der anderen. Die Debatte um die Marktstraße wurde so zum Lehrstück dafür, wie schnell sich das Lauteste durchsetzt – wenn das Wahre nicht klar genug ausgesprochen wird.

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