KOMMENTAR: Selbstgewählte Sichtbarkeit – und das Schweigen vor Gericht
Der Kommentar beleuchtet, warum Beteiligte eines lokalen Konflikts trotz öffentlicher Vorwürfe keine Anzeigen stellten. Er analysiert rechtliche Pflichten, mediale Narrative und die Risiken falscher Zuordnungen, besonders in kleinen Gemeinden.

Im Zentrum steht eine Frage:
Warum haben viele, die sich öffentlich empörten und teils detaillierte Schilderungen lieferten, keine Anzeige oder keinen Strafantrag gestellt?
Gerade in solchen Konflikten ist es entscheidend, von Beginn an klar zu unterscheiden zwischen belegten Tatsachen, subjektiven Eindrücken und politisch motivierten Zuschreibungen. Verwaltung, Polizei und Medien sollten Verfahren einführen, die sicherstellen, dass Vorwürfe vor einer Veröffentlichung auf eine solide faktische Grundlage geprüft werden.
Die Pflicht zur Anzeige bei konkretem Verdacht muss ebenso konsequent erfüllt werden wie der Schutz vor unbelegten Behauptungen. Transparenz, frühe Klärung und die bewusste Vermeidung ethnischer Narrative sind unerlässlich, um Vertrauen zu bewahren und Eskalationen vorzubeugen.
Der oft genannte Grund für das Ausbleiben formaler Schritte – Angst vor Repressalien – verliert an Gewicht, sobald die Dynamik der Ereignisse einsetzt: Selbst ohne juristische Maßnahmen konnten durch mediale Aufbereitung Deutungen entstehen, die den ursprünglichen Vorwurf nachträglich stützten.
Auffällig ist, dass einzelne Beteiligte – etwa Siegrid Daus – erst im Zusammenhang mit einer NDR-Veröffentlichung vom 30. Juli 2025 öffentlich auftraten. Ihr Ziel: ein bereits bestehendes Narrativ zu bestätigen, dessen faktische Grundlage weder durch den konkreten Ort noch durch belegte Handlungen abgesichert war.
Trotz dieser fehlenden Verifizierbarkeit wurde das Narrativ von weiteren Akteuren – darunter auch die Bürgermeisterin – gestützt. Allerdings nicht am ursprünglichen Schauplatz, sondern am Haus der Familie Daus (Thomas), im Umfeld der Familie Pust. Auch die Familie Pust sah sich dadurch angesprochen und reagierte mit einer Mischung aus geistiger Brandstiftung und gespielter Betroffenheit.
Rechtlicher Rahmen
Wer sich bewusst gegenüber einem Massenmedium äußert und damit aktiv in den öffentlichen Diskurs eintritt, verliert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs teilweise den Schutz der privaten Anonymität.
Eine solche Person gilt als relative Person der Zeitgeschichte (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2005 – VI ZR 122/04). Auf ihre Aussagen darf sachlich und korrekt Bezug genommen werden – insbesondere, wenn sie zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Entscheidend ist dabei nicht die Prominenz der Person, sondern ihre selbstgewählte Sichtbarkeit im öffentlichen Raum.
Die öffentliche Benennung von „Ross und Reiter“ – bis hin zu einer faktischen Stallmarkierung – stand in scharfem Kontrast zur Zurückhaltung bei förmlichen Anzeigen. Polizeiberichte und die Stellungnahme des Innenministers machten deutlich: Die meisten Vorfälle waren ordnungsrechtlicher Natur – nächtliche Ruhestörungen, Klingelstreiche – und stellten keine gravierenden Straftaten dar.
Trotzdem griffen manche Beteiligte einzelne, oft pauschale Vorwürfe immer wieder auf, spitzten sie zu und rahmten sie ethnisierend – wie etwa der AfD-Abgeordnete Schult im Landtag, der ohne Belege Abschiebungen forderte.
Die Rolle der Bürgermeisterin
Besonders brisant wird dies im Fall der Bürgermeisterin:
Als kommunale Wahlbeamtin auf Zeit – für sieben Jahre gewählt – ist sie nicht nur politisch, sondern auch dienstrechtlich verpflichtet, strafrechtlich relevante Sachverhalte, die ihr im Amt bekannt werden, unverzüglich anzuzeigen.
In ihrer Funktion ist sie für die Stadt antragsbefugt. Unterlässt sie solche Schritte, kann dies eine Verletzung ihrer beamtenrechtlichen Pflichten darstellen – im Einzelfall sogar den Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) erfüllen.
Nicht betroffen davon ist freilich „der alte Sack am Wegesrand“ – eine ironische Spitze, die den Kontrast zwischen rechtlicher Pflicht und öffentlicher Wahrnehmung unterstreicht.
Nähe und Verwechslungsgefahr
Die besondere Sensibilität bei der Namensnennung erklärt sich aus der lokalen Struktur:
In Loitz gibt es jeweils zwei Familien gleichen Namens – Daus und Pust – an unterschiedlichen Adressen.
Im Fall der Familien Daus liegen die beiden Häuser nur rund 150 Meter Luftlinie auseinander – zur anderen Familie ist es kaum weiter als ein Steinwurf. Schon in der Erstveröffentlichung „Der Gedanke selbst trägt die Schuld – das Drama um die Marktstraße“ am 2. Juli 2025 hieß es:
„Marktstraße. 151. 191. Namen, die nicht fielen – aber gemeint waren. Denn in Loitz reicht oft schon die Nähe. 150 Meter? Genug, um ins Gerede zu kommen. Oder doch die Nachbarschaft? Wer weiß.“
Diese räumliche Nähe birgt bei ungenauer Berichterstattung ein hohes Risiko falscher Zuordnungen. Verstärkt wird dies dadurch, dass manche Beteiligte Namen und Details selbst öffentlich machten oder im privaten Rahmen – etwa bei Einladungen in die Wohnung – gezielt weitergaben.
Fazit
Diese Mischung aus selbstgewählter Sichtbarkeit, öffentlicher Positionierung und späterer Distanzierung zeigt, wie fragil die Grenze zwischen Privatperson und öffentlicher Figur im kommunalen Konflikt sein kann.
Sie macht deutlich, wie schnell aus einzelnen Vorwürfen ein wirkmächtiges, aber faktisch nicht belegtes Narrativ entsteht – eines, das sich verselbstständigt und den öffentlichen Diskurs prägt.
Wer die Hand erhebt, sollte auch etwas zu sagen haben.
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