Empörungsjournalismus – Wenn Berichterstattung zum Zunder wird
Fallstudie Marktstraße Loitz: Wie aus einem einmaligen Vorfall eine dauerhafte Problemerzählung entsteht. Analysiert wird das Zusammenspiel von Medien, Politik und Öffentlichkeit – und die Anforderungen an verantwortliche Berichterstattung.

Nachwort
Der Fall Marktstraße ist in seinen Fakten abgeschlossen. In seiner Wirkung nicht.
Denn er hat deutlich gemacht, wie sehr die öffentliche Wahrnehmung eines Ortes und seiner Menschen davon abhängt, wer spricht – und wie gesprochen wird.
Journalismus trägt in einer Demokratie eine besondere Verantwortung. Nicht, weil er über den Gesetzen stünde, sondern weil er im Zusammenspiel der Gewalten jene Funktion erfüllt, die weder Gesetz noch Verwaltung ersetzen können: Öffentlichkeit schaffen, Sachverhalte sichtbar machen, Macht kontrollieren.
Diese Verantwortung verlangt mehr als Schlagzeilen. Sie verlangt Haltung – und zwar eine, die unabhängig ist, überparteilich, frei von persönlicher Fehde und fern von vorgefertigten Feindbildern. Journalisten und Redakteure müssen verstehen, dass sie, ob sie wollen oder nicht, Teil der „vierten Gewalt“ sind. Wer in dieser Rolle handelt, darf sich weder als „Schmierfinken“ noch als „Mietmaul“ instrumentalisieren lassen.
Und doch zeigt der heutige Haltungsjournalismus, wie leicht diese Verantwortung unter Druck gerät. Es genügen äußere Zeichen – Nähe zu politischen Lagern, Übernahme von Begriffen ohne Prüfung, Abhängigkeit von Klickzahlen –, um den Verdacht zu nähren, korrumpiert worden zu sein. Diese Zeichen müssen ernst genommen werden, nicht als persönliche Anklage, sondern als strukturelles Warnsignal.
Wer berichtet, gestaltet mit. Wer formuliert, setzt Rahmen. Wer wiederholt, verstärkt. Diese Mechanismen können aufklären – oder schädigen. Im Fall Marktstraße haben sie beides getan: Sie haben ein tatsächliches Ereignis dokumentiert und gleichzeitig eine Erzählung geformt, deren Wirkung weit über das Geschehen hinausreicht.
Das Verständnis dieser Doppelrolle ist keine Option, sondern Pflicht. Denn nur wer sich ihrer bewusst ist, kann dafür sorgen, dass Journalismus wieder das wird, was er sein sollte: eine Instanz, die unabhängig prüft, transparent arbeitet und dem Gemeinwohl verpflichtet ist – nicht der Empörung um ihrer selbst willen.
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