GEDANKENDUSCHE: Wirtschaftsräume sichtbar machen
Ein Gewerbestandort ohne Sichtbarkeit bleibt ungenutzt. Diese Gedankendusche zeigt, warum eine systematische Erfassung von Gewerbeflächen im Landkreis Vorpommern-Greifswald essentiell ist. Ein digitaler Katalog schafft Transparenz, fördert Investitionen und macht Wirtschaftsräume sichtbar.

Die Wirtschaft lebt von Sichtbarkeit. Ein Gewerbestandort, der nirgends aufscheint, ist wie eine Insel ohne Seekarte – er bleibt unsichtbar und kann somit kein Leuchtturm sein. Er mag Potenzial haben, mag erschlossen sein – doch ohne Registrierung bleibt er eine Terra incognita für Investoren, Planer und Unternehmen. Die Wirtschaft sucht nach Orientierung, doch wer keine Schilder aufstellt, wird nicht gefunden. Das Problem ist nicht das Fehlen von Gewerbegebieten, sondern das Fehlen eines Systems, das sie strukturiert sichtbar macht. Ein Standort ohne klare Einordnung existiert nur für jene, die ihn bereits kennen – für alle anderen bleibt er unentdeckt, ungenutzt, unentwickelt.
Planung kommt oft von oben: Landesentwicklungspläne, wirtschaftspolitische Programme, Förderkataloge. Doch was nützt eine Strategie, wenn sie nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten der Kommunen übereinstimmt? Ein Gewerbestandort lebt nicht auf Papier, sondern in den Städten, Dörfern und Gemeinden, die ihn betreiben. Wer Entwicklung ernst meint, muss zuhören – nicht vorschreiben. Gemeinden wissen, welche Flächen ungenutzt sind, wo Infrastruktur fehlt oder wo Unternehmen dringend nach Erweiterungsmöglichkeiten suchen. Doch wenn diese Informationen nirgendwo systematisch erfasst werden, bleibt alles Stückwerk. Ohne eine einheitliche, transparente Datenbasis bleibt es dem Zufall überlassen, wer welche Fläche entdeckt, nutzt oder weiterentwickelt.
Ein Katalog ist kein loses Sammelsurium von Gewerbeflächen, sondern eine Navigationshilfe für Investoren, Unternehmen und Kommunen. Er muss aktuell, systematisch und praxisnah sein. Wo befinden sich nutzbare Gewerbeflächen? Welche Infrastruktur ist vorhanden? Welche Flächen sind für welche Branchen interessant? Wie nachhaltig kann sich ein Standort entwickeln? Ohne Antworten auf diese Fragen bleibt jeder Versuch der Wirtschaftsförderung ein Schuss ins Blaue. Wer Wirtschaftsräume nicht dokumentiert, kann sie nicht gezielt entwickeln.
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald ist kein homogener Raum, sondern ein Mosaik wirtschaftlicher Strukturen. Das Oberzentrum Greifswald-Stralsund hat andere Dynamiken als Loitz oder Pasewalk. Die Küstenregion funktioniert anders als die Peene-Region. Wer all diese Gebiete über einen Kamm schert, verliert die feinen Unterschiede, die für Investoren entscheidend sind. Das Oberzentrum Greifswald und Stralsund steht für Wissenschaft, Innovation und maritime Industrie. Die Peene-Region und der südwestliche Landkreis sind geprägt von Logistik, Agrarwirtschaft und regionaler Produktion. Die Uecker-Randow-Region als grenznahe Wirtschaftszone verfügt über Industriecluster und Hafenstandorte. Die Inselregion und Küstenwirtschaft entwickeln sich stark im Bereich Tourismus, maritime Gewerbe und Offshore-Windkraft. Ein Gewerbestandorte-Katalog kann nur funktionieren, wenn er diese Eigenheiten aufgreift, anstatt sie in einer generischen Liste zu verwalten.
Doch ein Katalog ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug. Und Werkzeuge müssen gepflegt werden, sonst verlieren sie ihre Funktion. Daten veralten. Entwicklungen schreiten voran. Was gestern Brachland war, ist morgen ein florierender Standort. Deshalb müssen die Gemeinden selbst Mitgestalter sein. Sie kennen ihre Wirtschaftsflächen besser als jede externe Agentur. Wer darauf wartet, dass „von oben“ eine Lösung kommt, wird übersehen. Wer proaktiv erfasst, meldet und aktualisiert, wird sichtbar.
Es braucht keine weitere statische Liste, die in Schubladen verschwindet. Ein PDF-Katalog ist ein Anfang, aber keine Lösung. Was zählt, ist eine interaktive Plattform: Eine digitale Karte mit Such- und Filterfunktionen, Schnittstellen zu GIS-Systemen, Investorenportalen und Förderprogrammen sowie eine Möglichkeit für Gemeinden, ihre Daten eigenständig zu pflegen. Es geht nicht nur um Erfassung, sondern um lebendige Daten, die sich verändern können – genau wie die Wirtschaft selbst.
Die Frage ist nicht, ob ein solcher Katalog sinnvoll ist – sondern, welche Potenziale ungenutzt bleiben, wenn er fehlt. Investitionen fließen dorthin, wo Transparenz herrscht und Entscheidungen auf einer fundierten Basis getroffen werden können. Wer Standortentwicklung dem Zufall überlässt, riskiert, übersehen zu werden, während sich Unternehmen und Kapital an besser sichtbare Alternativen binden. Erfassung bedeutet Gestaltung. Sichtbarkeit bedeutet Zukunft. Wirtschaftsräume sind mehr als Koordinaten auf einer Karte – sie sind Entwicklungschancen, die erst dann genutzt werden können, wenn man sie erkennt, benennt und strategisch einordnet.
Nur wer sichtbar ist, kann auch wachsen.
Wie ist Ihre Reaktion?






