Vorverurteilt. Verkannt. Verdrängt. - Die Täter-Opfer-Umkehr im Fall Marktstraße
Der Beitrag dokumentiert die Täter-Opfer-Umkehr im Fall Marktstraße Loitz (2025) - verursacht durch mediales Framing und öffentliche Zuschreibungen, die realen Straftaten vorausgingen und die betroffenen Bewohner:innen fälschlich ins Zentrum rückten.

Im Frühjahr 2025 erschienen in Loitz zwei redaktionell aufbereitete Beiträge, die eine vermeintlich integrationsunwillige Großfamilie in der Marktstraße als Ursache kommunaler Überforderung darstellten. Der erste Artikel wurde am 16. April 2025 veröffentlicht und zitierte Bürgermeisterin Christin Witt mit einem dringlichen Hilferuf an Land und Bund. Der zweite Beitrag folgte am 23. Mai und schilderte die Perspektive belasteter Nachbarn.
Auffällig ist die zeitliche kausale Folge: Beide Beiträge wurden vor den jeweils dokumentierten Straftaten veröffentlicht, bei denen die Marktstraße nicht als Ausgangspunkt, sondern als Ziel rechtsextremer oder einschüchternder Handlungen diente. So wurde das Anbringen eines Hakenkreuzes und von SS-Runen an der Fassade am 16. April gemeldet – die entsprechende polizeiliche Blaulichtmeldung erschien nur 40 Minuten vor dem ersten Artikel. Am 26. Mai wurde ein ukrainischer Mieter durch einen gezielten Angriff auf sein Fenster geschädigt – der begleitende Beitrag mit kritischem Framing erschien bereits drei Tage zuvor.
Diese Umstände zeigen: Die darstellungsbezogene Konstruktion eines Problems ging den realen Vorfällen voraus. Die Marktstraße wurde im medialen Diskurs im Sinne eines gezielten Framing-Konzepts als Störzone konstruiert – noch bevor belegte Straftaten vorlagen. Die tatsächlichen Angriffe gegen die Adresse fanden in einem Klima öffentlicher Zuspitzung statt, das durch diese Darstellung bereits aufgeheizt war – ohne inhaltlich reaktive oder korrektive Einordnung.
Der Fall dokumentiert eine klassische Täter-Opfer-Umkehr durch darstellungsbezogenes Framing. Die Öffentlichkeit erhielt ein Narrativ, das nicht auf dokumentierten Ereignissen beruhte, sondern auf vorverlagerter Zuschreibung. Erst durch nachträgliche Überprüfung tritt zutage, dass die betroffenen Personen nicht die Auslöser, sondern die Zielscheiben waren. Die daraus entstehende Narrative Disruption legt offen, wie gefährlich entkoppelte Darstellung und tatsächliche Gefährdung ineinandergreifen können – vor allem dann, wenn die öffentliche Wahrnehmung der faktischen Klärung vorausläuft.
Fußnote
Framing-Konzept:
In der Kommunikationswissenschaft bezeichnet das Framing-Konzept die gezielte Auswahl, Gewichtung und sprachliche Rahmung von Informationen mit dem Ziel, bestimmte Interpretationsmuster zu erzeugen oder zu verstärken. Im Fall Marktstraße bedeutet dies: Die Darstellung der Adresse als „Störzone“ erfolgte nicht als Reaktion auf belegte Ereignisse, sondern als konstruierter Bezugsrahmen – unabhängig von tatsächlichen Täter-Opfer-Konstellationen.
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