Snorri, das Julfest und die Raunächte (Kurzgeschichte)

Im verborgenen Waldstück versammeln sich Kinder um das Feuer, lauschen Snorri, dem Weisen, der von alten Bräuchen, Julfest, Raunächten und geheimen Legenden erzählt. Eine magische Reise in die Vergangenheit - Spüre deinen Puls.

Dec 24, 2023 - 17:52
Dec 24, 2023 - 21:59
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Snorri, das Julfest und die Raunächte (Kurzgeschichte)

In einem kleinen Dorf, versteckt im Herzen eines dichten Waldes, wo die alten Bräuche und Legenden noch lebendig waren, begann eine besondere Nacht. Eine kalte Winternacht, in der die Sterne wie funkelnde Edelsteine am Himmel glänzten. In dieser Nacht versammelten sich die Kinder des Dorfes um den alten Weisen Snorri, der neben einem knisternden Feuer saß.

Seine Stimme, so alt wie die Zeit selbst, trug die Weisheit unzähliger Jahre.

"Kinder, lasst uns an die vergessen geratenen Bräuche unserer Vorfahren erinnern," begann Snorri. "Ihr kennt das Weihnachtsfest, doch was wir heute feiern, ist nicht das, was es einmal war. Es könnte auch ein Märchen sein, denn es war einmal..."

Die Kinder, ihre Augen weit aufgerissen vor Staunen, hingen an Snorris Lippen. "Das Weihnachten, das Julfest, war für unsere Vorfahren ein Hochfest. An diesem Tag gedachten sie des wiederkehrenden Lichtes. Am 21. Dezember, der Mittwinternacht, herrschte große Sorge, ob der Frühling zurückkehren und die Landschaft wieder erblühen würde."

Ein kleines Mädchen mit leuchtenden Augen, namens Edda, fragte: "Warum hatten sie Angst, Snorri?" Der Alte antwortete: "Sie fürchteten Ragnarök, das Ende der Welt, das durch drei aufeinanderfolgende Winter eingeleitet wird. Wusstet ihr, dass die Wintersonnenwende einst am 21. Dezember war, nicht am 24., wie heute?"

"In der Zeit tiefster Finsternis sammelte die Natur neue Kräfte," fuhr Snorri fort. "Die Menschen sahen die immergrünen Bäume und dachten an Neubeginn. Die alten Bräuche konnten nicht verloren gehen, auch nicht durch die römisch-katholische Kirche, die sie in ihre eigenen Traditionen umdeutete."

"Und der Weihnachtsmann?" fragte der kleine Finn. Snorri lächelte: "Der Weihnachtsmann mit seinem rot-weißen Mantel geht auf einen heidnischen Brauch zurück, bei dem zum Julfest Fliegenpilze gegessen wurden."

Snorri erzählte von den zwölf Raunächten, die auf die Wintersonnenwende folgten. "Odin wurde von seinen Raben, Wölfen und den Einherjer begleitet, und Frau Holle folgte einer Hundemeute. In diesen Nächten mussten Türen und Fensterläden geschlossen bleiben, um sich vor den umherziehenden Geistern zu schützen."

"Die zwölf Raunächte symbolisieren die zwölf Monate des Jahres. Am 6. Januar wurden die Häuser durch Räucherungen gereinigt und magische Zeichen zum Schutz gemalt," erklärte Snorri.

Beim Julfest feierten die Menschen das Licht und schnitzten bedeutende Runen in Holz, die sie dann in der Julnacht verbrannten. "Verbrennt eine Rune dieses Jahr, und tragt eure Wünsche in den Himmel," sagte er lächelnd.

"Die Raunächte sind die geheimnisvollste Zeit des Jahres. Haarige Dämonen treiben ihr Unwesen, und die Seelen der Toten suchen die Lebenden auf. Das wilde Heer tobt durch die Nacht, und Frau Holle geht um. Orakel geben einen Blick in die Zukunft."

Aksel, ein kleiner Junge, fragte: "Wie schützen wir uns vor den Dämonen?" Snorri antwortete: "Mit Räucherungen und Weihwasser. So schützen wir Mensch, Vieh, Hab und Gut vor dem Einfluss der Dunkelheit."

Snorri beendete sein Geschichte mit einem Aufruf: "Meine lieben Kinderlein, besinnt euch in diesem Jahr auf den alten Brauch des Julfests und der Raunächte. Feiert den Sieg der Lichtkräfte über die Dunkelheit. Sattelt den Kampfeber, nehmt den Weißdorn Speer und lauscht an einer Wegkreuzung den Geheimnissen der Nacht."

Die Kinder des Dorfes, erfüllt von Staunen und Ehrfurcht vor den alten Bräuchen, versprachen, die Traditionen am Leben zu halten. Und so, umgeben von der Wärme des Feuers und den Geschichten des alten Snorri, fühlten sie sich verbunden mit der Magie ihrer Vorfahren, bereit, diese in ihren Herzen weiterzutragen.

Jedes Dorf hatte seinen eigenen weisen Mann mit einem Rauschebart, an den sich die Kinder freudig erinnerten, wenn er zur Weihnachtszeit kam und ihnen Geschichten erzählte. In diesen Geschichten lebten die Traditionen und Legenden fort, und jedes Kind trug sie im Herzen, um sie eines Tages an die nächste Generation weiterzugeben.

Als der Winter fortschritt, begannen die Kinder des Dorfes, die Geschichten von Snorri in ihren Alltag zu integrieren. Sie sammelten Holz für das Julfeuer und schnitzten ihre eigenen Runen. Am Abend des Julfestes, als die Sterne am Himmel funkelten, versammelten sich alle Dorfbewohner auf der großen Lichtung im Wald. Sie entzündeten ein riesiges Feuer, das die Dunkelheit der längsten Nacht des Jahres erhellte.

Um das Feuer herum tanzten und sangen die Dorfbewohner, während die Kinder ihre geschnitzten Runen in die Flammen warfen. Jede Rune trug einen Wunsch oder eine Hoffnung für das kommende Jahr. Die Ältesten des Dorfes erzählten Geschichten von Odin und seinen Abenteuern, von Frau Holle und ihrem geheimnisvollen Reich, von den Einherjer, die in den Himmel aufgestiegen waren.

Als die zwölf Raunächte begannen, herrschte im Dorf eine gespannte, aber freudige Stimmung. Die Kinder lernten, die Zeichen der Natur zu deuten und ihre eigene Verbindung zur magischen Welt zu entdecken. Sie zogen mit ihren Familien durch das Dorf, um Räucherungen durchzuführen und die Häuser und Ställe zu segnen.

In der letzten Nacht der Raunächte, als der Himmel klar und die Sterne besonders hell waren, versammelten sich die Kinder des Dorfes an der alten Wegkreuzung am Rande des Waldes. Sie hielten ihre Weißdorn Speere fest in den Händen und lauschten in die Stille der Nacht. Jedes Kind hoffte, ein Zeichen zu erhalten, eine Vision oder eine Botschaft für das kommende Jahr.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, fühlten sich die Kinder des Dorfes erneuert und bereit für das neue Jahr. Sie hatten gelernt, dass die alten Bräuche und Legenden nicht nur Geschichten waren, sondern ein lebendiger Teil ihrer Kultur und ihres Lebens.

Jahr für Jahr kamen die Kinder zusammen, um die Geschichten von Snorri zu hören und die Traditionen ihrer Vorfahren zu feiern. Und jedes Jahr, wenn die kalte Winternacht hereinbrach und die Sterne am Himmel funkelten, erinnerten sie sich an die Worte des alten Weisen: "Besinnt euch auf den alten Brauch des Julfests und der Raunächte. Feiert den Sieg der Lichtkräfte über die Dunkelheit."

Und so lebten die Kinder des Dorfes, verbunden mit den alten Traditionen und Legenden, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, ein Leben voller Magie und Wunder. Sie wussten, dass die Geschichten, die sie hörten, die Weisheit ihrer Vorfahren in sich trugen und dass diese Weisheit sie durch alle Zeiten begleiten würde.

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